Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Notärztin im Rettungsdienst. Nebentätigkeit einer in Vollzeit bei einem Krankenhaus angestellten Anästhesistin. vertragliche Ausgestaltung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. aus der sich nach dem RettDG BW 2010 ergebenden Mitverantwortung der Krankenhausträger für das Rettungswesen lässt sich nicht herleiten, dass Tätigkeit der Notärzte dem Krankenhausträger zugerechnet werden müsste
Leitsatz (amtlich)
1. Beteiligt sich eine in Vollzeit bei einem Krankenhaus angestellte Anästhesistin an der vom Deutschen Roten Kreuz durchgeführten Notarztversorgung, folgt aus dem Umstand, dass die Krankenhausträger nach § 10 Abs 1 Gesetz über den Rettungsdienst Baden-Württemberg (RDG) verpflichtet sind, Ärzte für den Rettungsdienst gegen Kostenausgleich zur Verfügung zu stellen, noch nicht, dass die Tätigkeit als Notärztin im Rettungsdienst im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung mit dem Krankenhaus erfolgt.
Es kommt auch insoweit nur auf die konkrete vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall an.
2. Allein aus der sich nach dem RDG ergebenden Mitverantwortung der Krankenhausträger für das Rettungswesen lässt sich nicht herleiten, dass der gesamte Betrieb des Rettungswesens in einem einheitlichen Sinn verstanden und letztlich hinsichtlich der Tätigkeit der Notärzte dem Krankenhausträger zugerechnet werden müsste.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 02.06.2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1) im Rahmen ihrer Tätigkeit als Notärztin an einzelnen Tagen im Zeitraum 13.08.2013 bis 17.01.2014 bei der Klägerin abhängig beschäftigt war und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Die Beigeladene zu 1) war befristet vom 01.10.2011 bis 30.09.2014 in einem Krankenhaus der Klägerin als Anästhesistin in Vollzeit versicherungspflichtig beschäftigt und von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit.
Das Innenministerium Baden-Württemberg schloss mit dem Deutschen Roten Kreuz, Kreisverband B. eV (DRK) eine Vereinbarung über die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Einrichtungen des Rettungsdienstes nach dem Gesetz über den Rettungsdienst Baden-Württemberg (RDG). Gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 RDG sind die Krankenhausträger verpflichtet, für den Rettungsdienst Ärzte gegen Kostenausgleich zur Verfügung zu stellen.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) schlossen am 17.11.2013 eine “Vereinbarung zur Sicherung, Vergütung und Abrechnung des Notarztdienstes im Landkreis B.„. Diese lautet auszugsweise wie folgt:
§ 1
Der Arzt beteiligt sich an der Notarztversorgung im Landkreis B. nach § 1 Abs 1 und 2 des Rettungsdienstgesetzes.
§ 2
Die Abrechnung der Notarztvergütungen wird von der Zentralen Verwaltung der S. Kliniken Landkreis B. vorgenommen.
Der DRK-Kreisverband B. rechnet die Notarzteinsätze mit den Kostenträgern auf der Grundlage des BWKG-Tarifs ab. Ab 01.02.2013 gelten folgende Pauschalen:
- Vorhaltepauschale: 510,00 €
- Einsatzpauschale: 74,10 €
- In der Vorhaltpauschale ist ein Inklusiveinsatz enthalten.
Die S. Kliniken-GmbH erhält vom DRK-Kreisverband B. die von den Kostenträgern vergüteten Pauschalen zeitnah überwiesen und bezahlt dem Arzt folgende Pauschalen:
Vergütungspauschalen von Montag bis Freitag
- Vorhaltepauschale für 24 Stunden 410 € (17,08 €/Stunde)
- Einsatzpauschale 65 €
- In der Vorhaltpauschale ist kein Inklusiveinsatz enthalten.
Vergütungspauschalen an Samstagen, Sonn- und Feiertagen
- Vorhaltepauschale für 24 Stunden 500 € (20,83 €/Stunde)
- Einsatzpauschale 70 €
- In der Vorhaltpauschale ist kein Inklusiveinsatz enthalten.
§ 3
Der Verwaltungsaufwand der S. Kliniken-GmbH für die Abrechnung der Notarztvergütung wird aus den Notarzterlösen finanziert. Im ersten Jahr wird eine Verwaltungspauschale in Höhe von 1% der gesamten Notarztvergütungen kalkuliert.
§ 4
Am Jahresende werden die Einnahmen nach dem BWKG-Tarif und die Ausgaben auf der Grundlage der Vergütungspauschalen nach § 2 gegenübergestellt. Außerdem wird der tatsächliche Verwaltungsaufwand der S. Kliniken-GmbH ermittelt. Wenn sich Differenzen ergeben, werden die Vergütungspauschalen und die Verwaltungspauschale für die Zukunft angepasst. Die Differenzen aus dem abgelaufenen Jahr werden durch eine einmalige Entnahme aus dem Notarztpool ausgeglichen.
…
§ 6
Mit der Vergütung nach dem Rettungsdienstgesetz sind sämtliche Leistungen des Arztes einschließlich der EDV-Dokumentation im Rahmen der Notarztqualitätssicherung abgegolten.
Der Anspruch auf die Erstattung der Einsatzpauschale nach § 2 entsteht mit der Alarmierung durch die Leitstelle und besteht auch dann, wenn kein Patient vorgefunden wird oder der Einsatz auf der Anfahrt abge...