Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung eines Arbeitgeberzuschusses zu Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Beitragszuschüsse für Beschäftigte nach § 257 SGB V ist ein dem öffentlichen Recht zuzuordnender, sozialversicherungsrechtlicher Anspruch. Voraussetzungen und Rechtsfolgen bestimmen sich nach Sozialversicherungsrecht.
2. Der Anspruch auf Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V bzw. im Falle deren irrtümlicher Zahlung ein Herausgabeanspruch des Arbeitgebers unterfällt nicht einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist, die nur Ansprüche "aus dem Arbeitsverhältnis" erfasst.
Normenkette
SGB V § 257; SGB IV §§ 7, 14, 28g S. 3; SGB I § 44 Abs. 1; SvEV § 1 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 3 Nr. 62; BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 813 Abs. 3; SGG § 54 Abs. 5, § 183 S. 1, § 193; GVG § 17a Abs. 5
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.07.2022 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rückerstattung von Arbeitgeberzuschüssen zur freiwilligen Krankenversicherung des Beklagten in Höhe von 11.732,33 Euro für die Zeit Januar 2017 bis einschließlich November 2019 streitig.
Die Klägerin ist als Teil des Softwarekonzerns D Systèmes ein Softwareunternehmen mit Sitz in S mit über 200 Mitarbeitern. Der 1954 geborene Beklagte war vom 01.03.1981 bis zum 31.03.2010 bei der I Deutschland GmbH beschäftigt. Im Zuge eines Betriebsübergangs ging sein Arbeitsverhältnis als Vertriebsbeauftragter mit Wirkung zum 01.04.2010 auf die Klägerin über. Der Beklagte war für die Klägerin am Standort S tätig. Der Beklagte war während seiner Beschäftigung bei der Klägerin wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze als freiwilliges Mitglied bei der Techniker Krankenkasse gesetzlich krankenversichert. Er erhielt während seines laufenden Arbeitsverhältnisses nach § 257 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) von der Klägerin Arbeitgeberzuschüsse zu seiner freiwilligen Krankenversicherung.
Durch Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 30.04.2016 wurde das Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten einvernehmlich beendet. Der Beklagte bezieht seit 01.05.2016 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 3.867,32 Euro sowie jährlich eine kapitalisierte Rente aus einem Versorgungsbaustein entsprechend dem Auszahlungsplan Versorgungskonto (im Jahr 2017 19.883,20 Euro; im Jahr 2018 20.728,23 Euro; im Jahr 2019 21.609,18 Euro; im Jahr 2020 22.527,57 Euro, vgl. Bl. 137 der SG-Akte). Die Klägerin zahlte an den Beklagten zusätzlich zu der Betriebsrente ab Mai 2016 bis November 2019 versehentlich weiterhin Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung nach § 257 SGB V. Die Klägerin überwies dem Beklagten auf dessen Konto dabei seit Januar 2017 insgesamt 11.732,33 Euro, im Einzelnen die folgenden 35 Beitragszuschüsse:
- Januar 2017 bis einschließlich Dezember 2018: je 330,53 Euro,
- Januar 2019 bis einschließlich Oktober 2019: je 346,41 Euro,
- November 2019: 335,51 Euro.
Die Klägerin wies diese Zahlungen in den Verdienst- bzw. Pensionsabrechnungen als „Ausgezahlter AG-Anteil Krankenversicherung“ aus (Bl. 51, 66 der SG-Akte).
Seit September 2017 bezieht der Beklagte eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nebst Zuschuss zur seiner freiwilligen Krankenversicherung nach § 106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), wobei er an seine Krankenversicherung - auch ohne Berücksichtigung der von der Klägerin gewährten Zuschüsse zur Krankenversicherung - wegen Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze Höchstbeiträge zu entrichten hatte.
Mit Schreiben vom 17.11.2020 forderte die Klägerin den Beklagten auf, den Betrag von 11.732,33 Euro an sie bis spätestens zum 01.12.2020 zurückzuzahlen. Der Beklagte lehnte dies telefonisch am 26.11.2020 und schriftlich am 18.12.2020 ab.
Die Klägerin hat am 30.12.2020 Zahlungsklage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Sie könne vom Beklagten gemäß oder entsprechend § 812 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die (Rück-)Zahlung der versehentlich gezahlten Zuschüsse verlangen, auf die der Beklagte keinen Anspruch mehr gehabt habe. Eine als Rechtsgrund hier allein in Frage kommende gesetzliche Zahlungspflicht nach § 257 SGB V habe nicht mehr bestanden, da dies unabdingbar ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) voraussetze. Der Rückzahlungsanspruch könne - so auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) - bereits aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Natur einer tariflichen Ausschlussfrist nicht unterworfen werden. Die tarifliche Ausschlussfrist sei darüber hinaus nicht einschlägig, weil ihr Rückzahlungsanspruch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sei. Sie - die Klägerin - mache zudem nicht die Erstattung von Arbeitnehmerbeiträgen zur gesetzlichen, sondern von Arbeitgeberzuschüssen zur freiwilligen Krankenversicherung geltend, die sie rechtsgrundlos direkt an den Beklagten gezahlt h...