Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
Versicherte der GKV haben keinen Anspruch auf Kostenerstattung für therapeutische Apheresen (Methode zur extrakorporalen Entfernung von krankmachenden Bestandteilen aus dem Blut oder Blutplasma) zur Behandlung einer MCS (Multiple Chemical Sensitivity ) oder CFS (Chronic Fatigue Syndrom).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für vier therapeutische Apheresen (ambulante, extrakorporale Blutreinigungsverfahren) in Höhe von 7.184,11 €.
Die 1952 geborene Klägerin, die bei der Beklagten als Rentnerin gesetzlich krankenversichert ist, leidet an mehreren Gesundheitsstörungen, ua an einer Borreliose mit Lyme-Disease ohne derzeit nachweisbare Aktivität, einem chronischen Erschöpfungs- und einem Fibromyalgie-Syndrom. Vom 11. September 2006 bis 5. Oktober 2006 und vom 5. Juni 2007 bis 21. Juni 2007 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der Spezialklinik N., einer Akutklinik zur Behandlung von Allergien, Haut- und Umwelterkrankungen.
Am 24. Juli 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme der therapeutischen Apherese, ein Verfahren der Blutreinigung mit Elimination bestimmter Substanzen, bei dem Internisten und Nephrologen Dr. S., der Ärztlicher Leiter des Apheresezentrums der I. Medical Center AG, F. im W., und zugelassener Vertragsarzt ist. Beigefügt waren die ärztliche Bescheinigung des Dr. S. vom 22. Juli 2008 zur dringlichen Notwendigkeit der Durchführung der therapeutischen Apherese bei der Klägerin, die ua an Chronic Multiple Illnesses (CMI) mit Multiple Chemical Sensitivity (MCS) leide, und eine allgemeine Information des I. Medical Center über die therapeutische Apherese. Nachgereicht wurde das Attest des behandelnden Hausarztes Dr. S. vom 30. Juli 2008, der bestätigte, dass bei der Klägerin alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft seien.
Nach einer Voruntersuchung am 4. August 2008 führte Dr. S. bei der Klägerin am 5. August 2008 und 12. August 2008 therapeutische Apheresen durch und stellte für die Behandlungen vom 4. bis 13. August 2008 insgesamt 3.615,72 € in Rechnung (Behandlungsverträge vom 5. August 2008 und 12. August 2008, Rechnung vom 2. September 2008).
Auf Nachfrage der Beklagten zur Diagnose, der bisherigen Behandlung und Therapie und zur medizinischen Begründung für die Apherese teilte Dr. S. mit Schreiben vom 14. August 2008 nochmals die bei der Klägerin vorliegenden Diagnosen mit und verwies auf eine Website der R. Deutschland Holding GmbH (www.nephrologie.de). Zur weiteren Begründung ihres Antrags legte die Klägerin noch die Expertise des Dr. S. vom 26. September 2008 über die Behandlungen am 5. August 2008 und 12. August 2008 vor.
Die Beklagte holte das Gutachten nach Aktenlage des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg, Dr. S., vom 29. August 2008 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 1. Oktober 2008 und 16. Oktober 2008 ein. Dr. S. legte dar, die Apherese habe bislang keinen Eingang in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gefunden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) habe ein positives Votum nur für die LDL-Apherese und die Immunapherese bei akuter rheumatoider Arthritis erteilt. Eine akut lebensbedrohliche Situation bestehe nach den vorliegenden Informationen nicht. Zwar werde nach den vorliegenden Attesten bestätigt, dass alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft seien, konkretisiert werde das jedoch nicht. Eine Standardtherapie für die CMI mit MCS als relativ neues Krankheitsbild existiere bislang nicht und bestehe hauptsächlich in Expositionskarenz.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 8. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2009 mit der Begründung ab, bei der therapeutischen Apherese handele es sich um eine Behandlungsmaßnahme, die nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werden könne, weil es sich um eine bisher nicht anerkannte medizinisch-wissenschaftliche Behandlungsmethode handele. Der GBA habe die therapeutische Apherese nur bei Hypercholesterinämie in Form einer LDL-Apherese und bei rheumatoider Arthritis als Immunapherese in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen. Ein Systemmangel, insbesondere eine akut lebensbedrohliche Situation, liege nicht vor. Auch handele es sich um keine unaufschiebbare Leistung. Zudem sei die Behandlung bereits vor der Entscheidung der Beklagten in Anspruch genommen und von einem Behandler ohne Kassenzulassung vorgenommen worden. Die Voraussetzungen zur Kostenerstattung würden somit nicht vorliegen.
Gegen den am 21. Februar 2009 der Klägerin zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Kanzlei Dr. O. am 23. März 2009 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) per Telefax, “i.A.„ unterzeich...