Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Behandlung mit therapeutischer Apherese bei Borreliose
Orientierungssatz
1. Bei der therapeutischen Apherese zur Behandlung einer Borreliose handelt es sich um ein experimentelles Therapieverfahren; hierzu liegen kontrollierte Studien, welche einen indikationsbezogenen Nachweis der Wirksamkeit erbringen, noch nicht vor. Sie kann infolgedessen als Sachleistung nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, weil es derzeit noch an der erforderlichen positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses fehlt.
2. Ein Anspruch auf Kostenübernahme ergibt sich nicht aus den Grundsätzen des sog. Systemversagens, weil sich der Gemeinsame Bundesausschuss von 2001 bis 2008 laufend mit der Apherese-Behandlung befasst hat.
3. Ein Versorgungsanspruch besteht nicht nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Vorliegen einer notstandsähnlichen Krankheitssituation. Die Borreliose ist keine lebensbedrohliche Erkrankung; zum anderen steht für deren Behandlung die Antibiotikatherapie zur Verfügung.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf (mindestens drei) ambulante Therapeutische Apheresen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Kosten pro Behandlung belaufen sich auf ca. 1.650,00 EUR.
Die 0000 geborene Klägerin leidet an einem Zustand nach Infektion mit Borrelia burgdorferi (Lyme-Borreliose). Diese Diagnose wurde im Jahre 2002 per Zufallsbefund gestellt. Die Klägerin wurde deshalb bisher mit Antibiotika therapiert. Sie klagt über Schwindel, Kopfschmerzen/Migräne, Tinnitus, Sehstörungen, Müdigkeit, Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, starke Schmerzen im Kreuzbein bis ins Steißbein, erhöhte Laborwerte, Gelenkschmerzen, Vergesslichkeit, Gewichtszunahme, Libidoverlust, Haarausfall sowie Konzentrations-/Wortfindungsstörungen.
Am 29.01.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für (mindestens) drei Therapeutische Apheresen im INUS Medical Center in Furth im Wald. Sie legte hierzu eine ärztliche Bescheinigung des Leiters der "Internationalen Apheresestation" im INUS Medical Center, Dr. T, vom 09.01.2008 vor. Dieser bescheinigte, dass die Klägerin an einer seltenen und schweren Erkrankung einer "Chronischen Multisystem Erkrankung (CMI nach WHO)" leide. Im Hintergrund dieser Erkrankungsform stünden genetische Defekte in den Mitochondrien, die als Enzymopathien bekannt seien; diese Form der Erkrankung sei mit den bekannten Strategien der Medizin so nicht mehr therapierbar. Dr. T. vertrat die Auffassung, der Einsatz der Therapeutischen Apherese als Ultima-ratio-Therapie zur Wiederherstellung der Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit sei unumgänglich und dringend notwendig; indiziert sei der Einsatz der "Doppelmembranfiltrationsapherese" in der Form einer "Chemopherese". Die Klägerin fügte dem Antrag einen Kostenvoranschlag des INUS Medical Centers bei, aus dem sich ergibt, dass der Gesamtbetrag für das Leistungspaket "Therapeutische Apherese und Orthomolekulare Therapie" (eine Behandlung) ca. 1.650,00 EUR beträgt. Weiterhin fügte die Klägerin dem Antrag eine vierseitige Information des INUS Medical Center über die Therapeutische Apherese bei. In einer ärztlichen Bescheinigung vom 06.03.2008 teilte Dr. N. mit, die Klägerin befinde sich seit dem 01.03.2007 in seiner beratenden Sprechstunde wegen "chronischer Borreliose mit Ehrlichien Coinfektion". Die bestehenden schwerwiegenden Krankheitssymptome seien mit Doxycyclin, Tetracyclin und Colestyramin behandelt worden, ohne dass eine wesentliche Besserung eingetreten sei. Dr. N. hielt die Behandlung der Beschwerden mittels Apherese für dringend angezeigt.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dessen beratender Arzt Dr. O stellte am 30.04.2008 fest, es handele sich bei einer Borreliose nicht um eine seltene und lebensbedrohliche, sondern um eine relativ häufig auftretende Erkrankung, für die Standardtherapieverfahren zur Verfügung stünden; überwiegend erfolge die Behandlung medikamentös, je nach Ausprägung der Beschwerden komme eventuell ergänzend eine symptomatische Behandlung (z.B. Heilmittelbehandlung, Schmerztherapie) in Frage. Die Behandlung der Borreliose mittels Therapeutischer Apherese sei zur Zeit als experimentelles Therapieverfahren einzuordnen. Kontrollierte Studien, die einen indikationsbezogenen Nachweis der Wirksamkeit erbringen, lägen bisher nicht vor. Lediglich für Patienten mit schwerer familiärer Hypercholesterinaemie oder mit aktiver rheumatoider Arthritis habe der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Durchführung einer Apherese positiv bewertet und in die Anlage A der einschlägigen Richtlinien aufgenommen. Für die überwiegende Anzahl der überprüften potenziellen Indikationsgebiete sei eine negative Bewertung hinsichtlich der Wirksamkeit, medizinischen Notwendigkeit und ...