Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfungsverfahren. BSG-Entscheidungen. Entstehung einer neuen ständigen Rechtsprechung. nachgehende Entscheidungen der Instanzgerichte. erweiternde Auslegung. Rechtsfortbildung. Unvereinbarkeit mit Gesetzeslage. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. Abschluss Altersteilzeitvertrag. geplanter nahtloser Übergang in die Altersrente mit Rentenabschlag. wichtiger Grund. nachträgliche Änderung der Rechtslage. Inanspruchnahme der Altersrente für besonders langjährig Versicherte
Leitsatz (amtlich)
1. Eine neue ständige Rechtsprechung im Sinne von § 330 Absatz 1 SGB III kann erst dann entstehen, wenn das Revisionsgericht eine Rechtsfrage in einem bestimmten Sinn beantwortet hat, wobei nach Sinn und Zweck der Vorschrift schon eine Entscheidung des Revisionsgerichts genügen kann, wenn die zu beurteilende Rechtsfrage damit hinreichend geklärt ist.
2. Soweit nachgehende Entscheidungen von Instanzgerichten eine erweiternde Auslegung der der bisherigen Rechtsprechung des Revisionsgerichts unterliegenden Norm vornehmen, ist dies ein Versuch der Rechtsfortbildung und nicht zwingend Ausdruck einer noch unklaren Rechtslage, was daher der Bejahung des Tatbestandsmerkmals in § 330 SGB III einer "ständigen Rechtsprechung" zur einschlägigen Rechtsfrage nicht entgegensteht.
3. Entscheidungen des Revisionsgerichts, die die Rechtsfortentwicklung als unvereinbar mit der Gesetzeslage beurteilen, begründen daher auch keine neue ständige Rechtsprechung mit der Folge, dass Verwaltungsakte nur mit Wirkung ab dem Zeitpunkt des Ergehens dieser Entscheidung aufzuheben sind (hier Aufhebung der Sperrzeitentscheidungen bei nicht unmittelbar nach Ablauf einer Altersteilzeitvereinbarung erfolgtem Antrag auf Altersrente im Anschluss zu BSG vom 12.9.2017 - B 11 AL 25/16 R = SozR 4-4300 § 159 Nr 3).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.06.2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist, im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens, der Eintritt einer Sperrzeit streitig.
Die 1954 geborene Klägerin war bei dem D. Kranken- und Lebensversicherungsverein a.G. (Arbeitgeber) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 20.11.2006 schloss sie mit dem Arbeitgeber eine Altersteilzeitvereinbarung, die eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit entsprechend der bisherigen Arbeitszeit bis zum 31.05.2013 vorsah, eine anschließende Freistellung von der Arbeitsleistung und ein Ende des Altersteilzeitbeschäftigungsverhältnisses ohne vorherige Kündigung mit dem 31.05.2017.
Am 28.03.2017 (Blatt 2 VA) meldete sich die Klägerin bei der Beklagten zum 01.06.2017 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. In dem Fragebogen bei Kündigung oder Aufhebungsvertrag (Blatt 14 VA) gab die Klägerin an, dass sie versucht habe, ihre Altersteilzeit um vier Monate zu verlängern, dies aus betrieblichen Gründen jedoch nicht möglich gewesen sei. Seit dem 01.10.2017 beziehe sie Rente.
Der Arbeitgeber erstattete die Arbeitsbescheinigung vom 13.04.2017 gemäß § 312 SGB III (Blatt 22 VA).
Mit Bescheid vom 28.04.2017 (Blatt 33 VA) stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.06.2017 bis 23.08.2017 fest und führte zur Begründung aus, dass die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis einvernehmlich gelöst und beabsichtigt habe, anschließend an die Altersteilzeit in Rente zu gehen. Dennoch habe sie sich zum 01.06.2017 arbeitslos gemeldet. Die Sperrzeit dauere zwölf Wochen und mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 180 Tage.
Mit Bescheid vom 02.05.2017 gewährte die Beklagte Arbeitslosengeld ab dem 24.08.2017 bis auf weiteres und stellte für die Zeit vom 01.06.2017 bis 23.08.2017 einen Anspruch von 0,00 € wegen des Eintritts der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe fest.
Gegen den Bescheid erhob die Klägerin am 09.05.2017 (Blatt 43 VA) Widerspruch und machte geltend, dass sie durch die Gesetzesänderung im Jahr 2014 ab dem 01.10.2017 eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Abschläge beziehen könne, aus diesem Grund habe sie ihre Pläne hinsichtlich der Inanspruchnahme einer Rente ab dem 01.06.2017 geändert.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2017 (Blatt 54 VA) zurück und führte zur Begründung aus, dass die Klägerin das unbefristete Beschäftigungsverhältnis durch die Zustimmung zum Altersteilzeitvertrag gelöst habe, ohne eine konkrete Aussicht auf eine anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber zu haben. Die Arbeitslosigkeit sei daher zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar, ein solcher liege dann nicht vor, wenn sich die Klägerin nach Beendigung der Beschäftigung in Altersteilzeit arbeitslos melde, anstatt planmäßig Altersrente, ggf. wie vorgesehen mit Abschlägen, zu beziehen. Das Ziel des Alterste...