Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfungsverfahren. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. Abschluss Altersteilzeitvertrag. geplanter nahtloser Übergang in die Altersrente mit Rentenabschlag. wichtiger Grund. nachträgliche Änderung der Rechtslage. Inanspruchnahme der Altersrente für besonders langjährig Versicherte
Leitsatz (amtlich)
1. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Altersteilzeitvertrags, kann er sich auf einen wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe berufen, wenn er im Anschluss an die Altersteilzeit nahtlos in den Ruhestand wechseln will und dies prognostisch möglich erscheint, insbesondere nach der rentenrechtlichen Lage. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer später entsprechend seiner ursprünglichen Absicht tatsächlich Altersrente beantragt oder ob er seine Pläne für den Ruhestand ändert, zB wegen einer neuen Rechtslage.
2. Erlässt die Agentur für Arbeit in einer solchen Konstellation einen Bescheid, mit dem sie zu Unrecht den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe feststellt, kann der Arbeitslose in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X die Rücknahme des Sperrzeitbescheids verlangen - und zwar selbst dann, wenn die Sperrzeit zeitlich vor dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.9.2017 (B 11 AL 25/16 R = SozR 4-4300 § 159 Nr 3) liegt; § 330 Abs 1 SGB III steht dem nicht entgegen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 29.9.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.1.2018 verpflichtet, den Sperrzeitbescheid vom 28.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017 zurückzunehmen und der Klägerin unter Änderung des Bescheids vom 2.5.2017 in der Gestalt des Bescheids vom 11.5.2017, des Widerspruchsbescheids vom 15.5.2017 und des Bescheids vom 18.5.2017 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe auch für die Zeit vom 1.6. - 23.8.2017 zu bewilligen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.
Die Klägerin wurde am ... Mai 1954 geboren. Seit dem 1.9.1969 war sie bei der Fa. D. beschäftigt. Am 20.11.2006 schloss die Klägerin mit ihrer Arbeitgeberin einen Altersteilzeitvertrag. Darin vereinbarten die Parteien Altersteilzeit im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 1.6.2009 - 31.5.2013 und einer Freistellungsphase ab dem 1.6.2013. Mit Ablauf des 31.5.2017 sollte das Arbeitsverhältnis enden.
Am 28.3.2017 meldete sich die Klägerin zum 1.6.2017 arbeitslos. Dabei gab sie u.a. an, im Jahr 2014 habe sie die Fa. D. um eine Verlängerung der Altersteilzeit um vier Monate gebeten; dies habe die Arbeitgeberin aus betrieblichen Gründen abgelehnt. Ab dem 1.10.2017 werde sie, die Klägerin, Altersrente beziehen.
Mit Bescheid vom 28.4.2017 stellte die Beklagte fest, in der Zeit vom 1.6. - 23.8.2017 sei eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten; während dieser Zeit ruhe der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld. Zur Begründung gab sie an, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags gelöst. Sie habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos wird.
Mit Bescheid vom 2.5.2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 30,76 € pro Tag für die Zeit ab dem 24.8.2017, also erst im Anschluss an die festgestellte Sperrzeit.
Hiergegen legte die Klägerin am 9.5.2017 Widerspruch ein. Sie machte geltend, sie habe ursprünglich beabsichtigt, unmittelbar nach dem Ende ihres Arbeitsverhältnisses ab dem 1.6.2017 in Rente zu gehen. Im Jahre 2014 habe sich dann aber die Rechtslage geändert: Sie habe nun die Möglichkeit, Altersrente ohne Abschläge zu beziehen, allerdings erst ab dem 1.10.2017. Angesichts dessen habe sie ihre Planung zum Rentenbeginn umgestellt.
Wegen eines hier nicht streitigen Umstands (Krankenversicherungsverhältnis) erließ die Beklagte am 11.5.2017 einen Änderungsbescheid; die festgestellte Sperrzeit und die Höhe des festgestellten Leistungsbetrags blieben gleich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.5.2017 wies die Beklagte sodann den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags am 20.11.2006 habe für die Klägerin keine konkrete Aussicht auf eine Beschäftigung unmittelbar im Anschluss an die Altersteilzeit bestanden. Sie habe also die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Einen wichtigen Grund für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Der Gesetzgeber habe mit der Altersteilzeit einen nahtlosen Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen wollen - ohne einen Zwischenschritt über die Arbeitslosigkeit. Angesichts dessen fehle es an einem wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe, wenn sich der Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitslos meldet, anstatt planmäßig Altersrente, ggfs. mit Abschlägen, zu beantragen. Zu Recht habe sie daher den Eintritt einer zwölfwöchigen S...