Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftliche Unfallversicherung. besondere Abfindung gem § 221a SGB 7. Entstehungszeitpunkt. Anwendung des § 40 Abs 2 SGB 1
Orientierungssatz
1. Bei so genannten "Soll-Vorschriften" (hier: besondere Abfindung einer Verletztenrente gem § 221a Abs 1 S 1 SGB 7) ist hinsichtlich der Frage des Entstehungszeitpunktes des Leistungsanspruchs § 40 Abs 2 SGB 1 und nicht § 40 Abs 1 SGB 1 mit der Folge anzuwenden, dass die Entstehung der Leistung bzw deren Fälligkeit gem § 41 SGB 1 die Bekanntgabe der Verwaltungsentscheidung über die Leistung voraussetzt (vgl LSG Celle-Bremen vom 19.11.2009 - L 14 U 176/08). Dies gilt auch im Regelfall, mithin wenn kein sogenannter atypischer Fall vorliegt.
2. Der anderen Rechtsauffassung in der Literatur, wonach nur in einem eine Ermessensentscheidung eröffnenden atypischen Fall § 40 Abs 2 SGB 1 und im Regelfall § 40 Abs 1 SGB 1 anzuwenden ist, folgt der Senat nicht.
Normenkette
SGB VII §§ 221a, 96 Abs. 3-4; SGB I § 40 Abs. 1-2, § 41
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Auszahlung einer von seiner verstorbenen Ehefrau noch zu ihren Lebzeiten beantragten Abfindung ihrer Unfallrente an ihre Erben hat.
Die 1942 geborene Ehefrau des Klägers (E.) bezog von der Beklagten wegen der Folgen des am 24.10.1961 erlittenen Arbeitsunfalls, nämlich einer posttraumatischen Kniegelenksarthrose nach Kreuzbandläsion, eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v. H. Nach Abfindung des Rentenanspruchs für die Zeit vom 01.11.1994 bis 31.10.2004 (Bescheid vom 27.09.1994) zwecks Erwerbs einer Eigentumswohnung lebte der Rentenanspruch am 01.11.2004 wieder auf; die Rente betrug zuletzt 325,42 € monatlich.
Mit Schreiben vom 29.11.2007 unterrichtete die Beklagte E. davon, dass seitens der Bundesregierung eine wesentliche Erleichterung der Voraussetzungen für eine Rentenabfindung geplant sei und sie nach ihren Informationen zum antragsberechtigten Personenkreis gehöre. Der Abfindungsbetrag würde in ihrem Fall bei einem Antragseingang am 01.01.2008 31.021,41 € betragen. Am 06.12.2007 (Eingang bei der Beklagten) beantragte E. die besondere Abfindung mit dem dem Informationsschreiben beigefügten Antragsformular, in dem - von E. ungeändert - noch ihre frühere Anschrift in der X.str. in R. angegeben war. E. wohnte aber bereits seit 08.07.2006 gemeinsam mit dem Kläger in der Y.str. in R.
Am 15.01.2008 verfügte ein Mitarbeiter der Beklagten die Beendigung der laufenden Verletztenrentenzahlung zum 31.01.2008 und die Auszahlung des Abfindungsbetrages in Höhe von 32.021,41 €. Der am 17.01.2008 unter der der Beklagten bekannten Anschrift von E. zur Post gegebene Bewilligungsbescheid vom 15.01.2008 wurde von der Post mit den Vermerken "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" und "verstorben" an die Beklagte zurückgesandt. Die Zahlung der Abfindungssumme auf das gemeinsame Girokonto von E. und dem Kläger erfolgte am 31.01.2008. Von der Sparkasse S. in C. erfuhr die Beklagte am 04.02.2008 nach einer telefonischen Anfrage, dass E. am 16.01.2008 verstorben war. Daraufhin forderte die Beklagte den überwiesenen Abfindungsbetrag von der Sparkasse zurück. Am 06.02.2008 wurde der Betrag von 32.021,41 € wieder dem Konto der Beklagten gutgeschrieben.
Am 26.02.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten, den zurückgebuchten Betrag erneut anzuweisen. Er sei Alleinerbe seiner am 16.01.2008 verstorbenen Ehefrau. Der Abfindungsanspruch sei mit dem Eingang des entsprechenden Antrages bei der Beklagten am 06.12.2007 entstanden, da er materiell-rechtlichen Charakter habe und sämtliche Abfindungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen hätten. Eine Ermessensentscheidung sei nicht erforderlich gewesen, da eine sogenannte Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen hätte. Auf die Bekanntgabe der Bewilligungsentscheidung komme es daher nicht an. Der Bescheid liege ihm im Übrigen bis heute nicht vor.
Mit Bescheid vom 06.03.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Der Bescheid über die Abfindung der Unfallrente habe keine Rechtswirksamkeit erlangt, da es sich auch bei der besonderen Abfindung nach § 221a Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch - (SGB VII) um eine Ermessensleistung handele und der Anspruch hierauf erst mit dem Zeitpunkt entstehe, in dem die Entscheidung über die Leistung bekannt gegeben worden sei. Der Rentenberechtigten habe aber die Entscheidung nicht mehr bekannt gegeben werden können, weil sie vorher verstorben gewesen sei. Es sei deshalb auch kein Anspruch auf den Erben übergegangen.
Dagegen legte der Kläger am 27.03.2008 Widerspruch ein, mit dem er einen Anspruch auf Auszahlung des Abfindungsbetrages in Höhe von 32.021,41 € geltend machte. Er wiederholte und konkretisierte seine bisherigen Ausführungen und tru...