Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschädigtenversorgung. Dauerverwaltungsakt. Beweisverfahren. Anhörung eines bestimmten Arztes. grobe Nachlässigkeit

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Bescheid über die Anerkennung von Schädigungsfolgen nach dem BVG handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt.

2. Grobe Nachlässigkeit iS des § 109 Abs 2 SGG ist dem Kläger anzulasten, wenn er in Kenntnis der durch § 109 Abs 1 SGG eröffneten Möglichkeit (hier: Hinweisschreiben des SG) und der Tatsache, daß der Senat für ihn erkennbar keine medizinische Sachverhaltsermittlung einleitete, mit der Stellung des Antrages nach § 109 SGG bis unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung gewartet hat.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Neufeststellung des Versorgungsanspruches nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), insbesondere darüber, ob dem Kläger unter Anerkennung zusätzlicher Schädigungsfolgen rückwirkend eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 50 v.H. zu gewähren ist.

Der am 1923 geborene Kläger leistete von März 1942 bis Kriegsende Wehrdienst in der ehemaligen Deutschen Wehrmacht und wurde dabei mehrmals verwundet. Nachdem ein von ihm im März 1946 beim Versorgungsamt Gelsenkirchen gestellter Antrag auf Versorgung wegen "I. Splitter im Nacken und Nasenbeinbruch II. Schußbruch und Streifschüsse am rechten Handgelenk III. Granatsplitter rechter Oberschenkel und linkes Schulterblatt IV. Granatsplitter oberhalb des Handballens der linken Hand" unerledigt geblieben war, weil er trotz eingeschriebener Ladung nicht zur Untersuchung erschienen war (so Aktenverfügung vom 11. August 1948), erneuerte er seinen Antrag im August 1975 unter Vorlage von Ablichtungen seines Soldbuches und des am 10. Juli 1946 ausgestellten und mit dem ärztlichen Vermerk "mehrfache Splitterverletzungen - arbeitsfähig" versehenen Entlassungsscheins aus britischem Gewahrsam. Dabei machte er seine Verwundungen, aber auch außergewöhnliche Belastungen während seines Fronteinsatzes für seine stark beeinträchtigte Gesundheit verantwortlich. Während er in den ersten Nachkriegsjahren hauptsächlich unter Rheuma und Magenbeschwerden gelitten habe, sei dies später wegen Ischias und Bluthochdrucks der Fall gewesen. Seit einem Ende Dezember 1969 erlittenen Kreislaufkollaps habe er auf der linken Seite ein ununterbrochenes Ohrensausen und seit einigen Monaten nunmehr auch Schmerzen im rechten Arm.

Mit Bescheid vom 19. November 1976 erkannte das Versorgungsamt Gelsenkirchen "1. Narben im Nacken, an der linken Schulter, an der linken Hand und am rechten Oberschenkel 2. geringgradige Bewegungseinschränkung des rechten Kleinfingers nach Bruch des 5. Mittelhandknochens" als Schädigungsfolgen im Sinne des BVG an, die jedoch keine MdE in rentenberechtigendem Grade um wenigstens 25 v.H. bedingten. Weitere Schädigungsfolgen lägen nicht vor, insbesondere seien eine allgemeine Bindegewebsschwäche, eine Neigung zu Bluthochdruck und ein Verschleiß der Wirbelsäule nicht durch schädigende Einwirkungen im Sinne von § 1 BVG hervorgerufen oder verschlimmert worden; die Operation des 1943 erlittenen Nasenbeinbruches habe keine nachteiligen Folgen hinterlassen. Diese Feststellungen beruhten zum einem auf einem am 23. Juli 1976 erstatteten Gutachten des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses D Prof. Dr. M und zum anderen auf einem am 17. August 1976 erstatteten internistischen Gutachten des ärztlichen Direktors der Kurklinik am Park in H Bad M, Prof. Dr. M welcher z.B. eine vom Kläger angegebene Abnahme der Konzentrationsfähigkeit und das linksseitige Ohrensausen in Zusammenhang mit einem seit Jahren schädigungsunabhängig bestehenden arteriellen Bluthochdruck brachte. Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die im Bescheid getroffenen Feststellungen insgesamt in Frage stellte, insbesondere auch die Anerkennung des Ohrensausens als Schädigungsfolge geltend machte und hierzu unter Vorlage einer abgelichteten Röntgenaufnahme des Schädels auf einen dort befindlichen Stecksplitter hinwies, führte nach Einholung eines amtlichen HNO-Gutachtens vom 17. August 1978 (Dr. B), ergänzt durch verschiedene versorgungsärztliche Stellungnahmen und durch einen am 12. Dezember 1978 erstellten Röntgenbefund, zum Erlaß des Teil-Abhilfebescheides des Versorgungsamtes D vom 22. Dezember 1978, mit dem "erbsgroßer Metallstecksplitter in den Gesichtsweichteilen im Bereich der äußeren Begrenzung des Nasenseptums" als zusätzliche Schädigungsfolge (Nr. 3) anerkannt, die MdE jedoch weiterhin mit unter 25 v.H. bewertet wurde. Der Widerspruch im übrigen blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 1980), nachdem vom Kläger zusätzlich vorgelegte Arztunterlagen versorgungsärztlich ausgewertet worden waren. Die deswegen zum Sozialgericht Dortmund erhobene Klage (S 18 V 197/80) hatte insoweit Erfolg, als der Beklagte mit Urteil vom 26. Oktober 1984 verpflichtet wurde, die Schädigungsfolgen nach dem BVG mit "reizlose Weichteilnarbe a...

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