Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Handlungstendenz. Gefälligkeit für einen Verwandten. Mitgesellschafter einer juristischen Person
Leitsatz (amtlich)
Eine arbeitnehmerähnliche unversicherte Gefälligkeitsleistung liegt auch dann vor, wenn der wirtschaftliche Vorteil aus der zum Unfall führenden Tätigkeit zwar unmittelbar einer juristischen Person zugute kommt, jedoch das Gesamtbild der beabsichtigten und ausgeführten Tätigkeit von der Handlungstendenz geprägt ist, dem Mitgesellschafter der juristischen Person als Verwandtem einen Gefallen zu erweisen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers und der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der 1964 geborene Kläger in den Betriebsräumen der Beigeladenen am 06.01.2013 einen nach der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beigeladene ist ein Mitgliedsunternehmen der Beklagten. Gesellschafter sind U. D. und S. S. . Gegenstand der Beigeladenen ist der Handel mit Lebensmitteln und Non-Food Artikeln mit Verkaufsraum in T. . Die Beigeladene hat ca. 20 Beschäftigte in Vollzeit, ca. 20 Beschäftigte in Teilzeit und ca. 40 Aushilfen. Der Kläger ist verwitwet und in zweiter Ehe verheiratet. Er war in erster Ehe mit der Schwester des Mitgesellschafters der Beigeladenen (Zeuge D. ) verheiratet, die im Jahr 2002 verstarb.
Am 06.01.2013 stürzte der Kläger im Verkaufsraum der Beigeladenen bei der Abnahme von Weihnachtsdekoration aus ca. 3 bis 4 Meter Höhe von einer Leiter zu Boden. Dabei zog er sich eine distale Fraktur der Tibia mit Außenknöchelfraktur und Syndesmosenruptur links sowie eine Fraktur des Lendenwirbelkörpers L1 zu (Durchgangsarztbericht Dr. Schn. vom 06.01.2013, Bericht des Kreiskrankenhauses T. vom 18.01.2013 und Unfallanzeige vom 06.01.2013). Nach den Angaben im Durchgangsarztbericht vom 06.01.2013 sei der Kläger als Aushilfe bei der Beigeladenen beschäftigt.
Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein. In der Unfallanzeige vom 06.01.2013 wurde mitgeteilt, der Versicherte (Kläger) sei mit dem Unternehmer verwandt. Im Formularfragebogen der Beklagten zur Erklärung zu anderen Sozialleistungen und Nebeneinkünften wurde mitgeteilt, der Kläger habe im Jahr vor dem Unfall eine Nebenbeschäftigung oder Nebentätigkeit nicht ausgeübt. Auf Schreiben der Beklagten vom 13.02.2013 zur Klärung des Versicherungsstatus des Klägers übersandte die Beigeladene mit Schreiben vom 21.02.2013 die handschriftlich eingefügten Antworten auf die gestellten Fragen der Beklagten (Unterschrift S. S. ), der Kläger sei ein Schwager, sei im Unternehmen nicht beschäftigt und habe für seine Tätigkeit im Unternehmen kein Arbeitsentgelt oder Sachbezüge erhalten. Dem Kläger sei kein Auftrag erteilt worden, am 06.01.2013 die “Weihnachtsdeko„ abzubauen. Der Kläger sei am 06.01.2013 nur einmalig und nicht regelmäßig für das Unternehmen tätig gewesen. Der Kläger sei aufgrund der bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen aus Gefälligkeit für das Unternehmen tätig geworden.
Mit Bescheid vom 05.03.2013 teilte die Beklagte dem Kläger wegen des Unfalls vom 06.01.2013 mit, er habe keinen Anspruch auf Leistungen. Bei Gefälligkeitshandlungen, die unter Verwandten vorgenommen würden und die von familiären Beziehungen geprägt seien, bestehe kein Versicherungsschutz. Der Kläger habe deshalb zum Unfallzeitpunkt nicht zum Kreis der versicherten Personen gehört. Entschädigungen aus Anlass des Unfalles seien daher nicht zu gewähren.
Gegen den Bescheid vom 05.03.2013 legte der Kläger am 25.03.2013 Widerspruch ein. Er bat nach gewährter Akteneinsicht durch seinen Prozessbevollmächtigten um Entscheidung. Es sei eine Rechtsfrage zu klären. Hierzu seien sämtliche Tatsachenvoraussetzungen aktenkundig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Am 26.08.2013 erhob der Kläger beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage. Er machte zur Begründung geltend, ihm seien wegen des Arbeitsunfalls vom 06.01.2013 Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Entgegen der Auffassung der Beklagten liege ein Arbeitsunfall vor, weil er als “Wie Beschäftigter„ zum Unfallzeitpunkt versichert gewesen sei. Seine Tätigkeit sei dem Unternehmen objektiv nützlich gewesen und er habe auch subjektiv ein Geschäft des Unternehmens besorgen wollen. Er habe dem Unternehmen keine Gefälligkeit erweisen wollen. Seine Tätigkeit sei nicht von verwandtschaftlicher Beziehung geprägt und enthalte keine familiäre Bindung. Auch die Gefährlichkeit der Tätigkeit sprenge den Rahmen von bloßen Gefälligkeitsleistung. Die private Haftpflichtversicherung des Beigeladenen habe Leistungen wegen des streitgegenständlichen Schadensereignisses mit der Behauptung eines Arbeitsu...