Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Borreliose-Lymphozyten-Transformations-Test. keine neue Untersuchungsmethode. keine vergleichbare ärztliche Laborleistung. Vertrauensschutz

 

Orientierungssatz

1. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind befugt die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit vorzunehmen. Daraus hat sich auch durch die Einfügung des § 106a SGB 5 durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) nichts geändert.

2. Bei dem Borreliose-Lymphozyten-Transformations-Test (Borreliose-LTT) handelt es sich um keine neue Untersuchungsmethode, für deren Erbringung und damit auch Abrechnung in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 135 Abs 1 S 1 SGB 5 eine zustimmende Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderlich gewesen wäre.

3. Bei der Borrelien-LTT handelt es sich um keine den GNR 4551 EBM-Ä (Borrelia burgdorferi-Antikörper) und 4635 EBM-Ä (Borrelia-Antikörper) vergleichbare ärztliche Laborleistung.

4. Eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung besteht nicht bei solchen Leistungen, die sich im konkreten Behandlungszusammenhang in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft befinden oder erkennbar ohne jeden Nutzen erbracht werden (vgl BSG vom 5.2.2003 - B 6 KA 15/02 R = SozR 4-2500 § 95 Nr 1). Diese Rechtsprechung rechtfertigt auch die Streichung der Borreliose-LTT nach GNR 4468 EBM-Ä.

5. Ein Vertrauensschutz kann auch dann nicht angenommen werden, wenn Leistungen in Vorquartalen unbeanstandet geblieben sind (vgl zB BSG vom 8.2.2006 - B 6 KA 12/05 R = SozR 4-2500 § 106a Nr 1).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.03.2010; Aktenzeichen B 6 KA 23/09 B)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. August 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 264.308,20 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten stehen Honorarkürzungen im Wege einer sachlich-rechnerischen Berichtigung für das Quartal 1/04 im Streit.

Die Kläger waren bis zum 30. Juni 2006 als zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Laborärzte (Kläger Ziff. 1, nach dessen Tode Rechtsnachfolger G... M. R... ist, und Kläger Ziff. 2) in einer Gemeinschaftspraxis mit Sitz in E... tätig.

Nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM) in der bis zum 31. März 2005 gültig gewesenen Fassung lautete die mit zum damaligen Zeitpunkt 153,40 € bewertete Gebührennummer (GNR) 4468 im hier streitigen Quartal:

Lymphozyten-Transformations-Test, einschließlich Kontrollkultur(en), ggf. mit mehreren Mitogenen und/oder Antigenen

Die GNR 4551 EBM lautete:

Qualitativer Nachweis und/oder quantitative Bestimmung von Antikörpern gegen Krankheitserreger....

Katalog

...

4551 Borrelia burgdorferi-Antikörper.................................................... 7,70€

Die GNR 4635 EBM lautete:

Untersuchungen auf Antikörper gegen Krankheitserreger mittels Immunreaktion mit elektrophoretisch aufgetrennten mikrobiellen Antigenen (Immunoblot) als Bestätigungs- oder Abklärungstest nach positivem oder fraglich positivem Antikörpernachweis

Katalog

....

4635 Borrelia-Antikörper                   .................................................. 24,00 €

Nach Prüfung der Abrechnungsunterlagen des Quartals 1/04 strich die damalige Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordbaden, Rechtsvorgängerin der Beklagten, der jetzigen KV Baden-Württemberg, mit Bescheid vom 12. Mai 2004 u.a. 2058 Ansätze der GNR 4468 EBM mit der Begründung, der unter diesen Gebührennummer abgerechnete Borreliose-Lymphozyten-Transformations-Test (Borreliose-LTT) sei nach Stellungnahmen der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) und der Landesarbeitsgruppe Borreliose FSME Baden-Württemberg e.V. als wissenschaftliche Untersuchung anzusehen und daher nicht über die gesetzliche Krankenversicherung abrechnungsfähig.

Dem dagegen erhobenen Widerspruch der Kläger gab der Vorstand der damaligen KV Nordbaden insoweit statt, als er das Verfahren bezüglich 335 Ansätzen der GNR 4468 EBM, die nicht Borreliose-LTT betrafen, zur weiteren Begutachtung abtrennte. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, auch nach einer Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sei der Borreliose-LTT als wissenschaftliche Untersuchung anzusehen und nicht über die gesetzliche Krankenversicherung abrechnungsfähig. Der Test werde bei speziellen wissenschaftlichen Fragestellungen eingesetzt, sei aber für die Routinediagnostik nicht zu empfehlen. Er sei insbesondere nicht geeignet, eine seronegative Borreliose nachzuweisen oder eine Therapieindikation zu stellen. Außerdem sei der Nachweis von Borrelia burgdorferi-Antikörpern nach der GNR 4551 EBM und der von Borrelia-Antikörpern nach GNR 4635 EBM abzurechnen. Bei diesen beiden Gebührennummern handele es sich um v...

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