Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Arbeitslosengelds. Bemessungszeitraum. Berücksichtigung von Arbeitsentgeltzahlungen während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Arbeitsentgelt. Lohnfortzahlung wegen Krankheit durch einen schweizerischen Arbeitgeber. Versicherungspflicht. Abhängigkeit vom Bestand des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Entgeltzahlungen während einer Zeit, in der erkrankungsbedingt keine Arbeitsleistungen erbracht wurden, stellen ebenso wie solche während der Phase einer unwiderruflichen Freistellung (vgl insoweit BSG vom 30.8.2018 - B 11 AL 15/17 R = BSGE 126, 217 = SozR 4-4300 § 150 Nr 5) Arbeitsentgelt dar und sind als für die Bemessung des Arbeitslosengeldes maßgebendes Entgelt einzubeziehen.
2. Dies gilt auch für eine von einem schweizerischen Arbeitgeber gewährte versicherungspflichtige und vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängige Lohnfortzahlung (Abgrenzung zu aus einer Kollektivtaggeld-Versicherung oder einer Unfall-/Invalidenversicherung gezahlten schweizerischen Versicherungsleistungen in Form von Krankentagegeld oder Tagegeld; vgl hierzu LSG Stuttgart vom 12.11.2019 - L 13 AL 2184/17, Urteil vom 22.7.2016 - L 8 AL 15/16 = Breith 2016, 1005).
Normenkette
SGB III § 25 Abs. 1 S. 1, § 136 Abs. 1, § 149 Nr. 1, § 150 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 151 Abs. 1, § 152 Abs. 1 S. 1, § 153 Abs. 1, § 2 S. 1, § 154 Sätze 1-2, § 341 Abs. 3; SGB IV § 7 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 1; EStG § 32 Abs. 1, 3-5, § 39b Abs. 2 S. 5 Nr. 3; EGV 883/2004 Art. 62 Abs. 1-3, Art. 65 Abs. 5 Buchst. a; Schweizer Obligationenrecht Art. 324a Abs. 1, Art. 324b Abs. 1; Personalverordnung ETH-Bereich (Zürich Schweiz) Art. 36 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, §§ 77, 96 Abs. 1
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg
vom 19.11.2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des
Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des dem Kläger bewilligten Arbeitslosengeldes streitig.
Der 19… geborene Kläger nahm am 15.03.2014 eine Beschäftigung bei der E. in Z. auf. Sein dort letzter geleisteter Arbeitstag war der 10.03.2017. Ab 13.03.2017 erfolgte nach dem Wortlaut der von der E. unter dem 19.03.2019 ausgestellten „Arbeitgeberbescheinigung international“ durch sie eine „Lohnfortzahlung“ wegen einer aufgrund einer Krankheit eingetretenen dauerhaften Verhinderung an der Arbeitsleistung. Rechtsgrundlage für die Gewährung dieser Lohnfortzahlung war Art. 36 Abs. 1 Personalverordnung ETH-Bereich, wonach Mitarbeitende, die infolge Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig sind, Anspruch auf Lohnfortzahlung für eine Dauer von längstens 730 Tagen haben. Am 27.03.2018 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 12.03.2019. Am 12.03.2019 endete die „Lohnfortzahlung“ der Arbeitgeberin. Das nach dem Wortlaut der von der Öffentlichen Arbeitslosenkasse B. unter dem 03.04.2019 ausgestellten Bescheinigung „PDU1“ erzielte „Bruttoeinkommen“ aus dieser Beschäftigung betrug vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 monatlich 6.428,65 CHF, vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2018 monatlich 6.439,45 CHF und vom 01.01.2019 bis zum 12.03.2019 insgesamt 15.088,00 CHF. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld gegenüber der öffentlichen Arbeitslosenkasse B. bestand nicht.
Der Kläger hatte sich bereits am 10.12.2018 zum 13.03.2019 arbeitslos gemeldet sowie am 14.02.2019 die Gewährung von Arbeitslosengeld beantragt und dabei unter anderem angegeben, für ihn gelte die Lohnsteuerklasse I und es bestehe ein Anspruch auf Kindergeld. Mit ihren Schreiben vom 17.04.2019 führte die Beklagte aus, das im Ausland erzielte Arbeitsentgelt fließe in die Bemessung des Arbeitslosengeldes ein, da der Kläger vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zuletzt im europäischen Ausland beschäftigt gewesen sei. Ausländische Entgelte seien nur dann in die Bemessung des Arbeitslosengeldes einzubeziehen, wenn sie als Arbeitsentgelt aus Beschäftigungen stammten. Somit blieben Entgelte aus versicherungspflichtiger ausländischer selbständiger Erwerbstätigkeit und aus sonstigen Zeiten (zum Beispiel Krankengeld) außer Betracht. Das ausländische Arbeitsentgelt werde nur bis zur Höhe der deutschen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt. Da jedoch das Arbeitsentgelt des Klägers beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis noch nicht abgerechnet gewesen sei, werde bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt. Das fiktive Arbeitsentgelt richte sich nach der Beschäftigung, für die der Kläger in erster Linie geeignet sei, und der dazugehörigen Qualifikationsstufe. Der Kläger sei für eine Tätigkeit als Qualitätskontrolleur geeignet. Hierfür sei eine Ausbildung an einer Hochschule oder Fachhochschule erforderlich, weswegen für ihn die Qualifikationsstufe 1 zu Grunde gelegt werde. Mit Bescheid vom 18.04.2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 13.03.2019 für 360 Kalendertage un...