Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Beitragsbemessung. freiwilliges Mitglied. keine Berücksichtigung des Rückkaufswerts einer privaten Lebensversicherung. Der Senat hat die Revision zugelassen
Leitsatz (amtlich)
Der Rückkaufswert einer privaten Lebensversicherung ist keine beitragspflichtige Einnahme iSd § 240 SGB V.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25.03.2022 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 18.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2020 sowie der Bescheid vom 18.01.2021 insoweit abgeändert, als Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit ab 01.10.2020 bis zum 31.05.2021 unter Berücksichtigung eines monatlichen Einkommens in Höhe von 346,81 € festgesetzt wurden.
Die Beklagten tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Rückkaufswert einer privaten Rentenversicherung zu verbeitragen ist.
Der 1959 geborene Kläger ist hauptberuflich selbständig und seit dem 01.08.2019 bei der Beklagten zu 1 freiwillig krankenversichert sowie bei der Beklagten zu 2 pflegeversichert. Nachdem er aus einer Erbschaft 45.000 € erhalten hatte, schloss er im März 2018 bei der A-AG einen Vertrag über eine Privatsofortrente ab, zahlte den Betrag von 45.000 € einmalig zum 01.04.2018 ein und bezog im Gegenzug ab dem 01.05.2018 eine Sofortrente in Höhe von monatlich 148,02 €.
Mit Bescheid vom 24.06.2020 setzte die Beklagte zu 1 auch im Namen der Beklagten zu 2 die zu entrichtenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vorläufig unter Heranziehung der privaten Rente für die Zeit ab dem 01.08.2019 neu fest (zusätzlich zu den Beiträgen aus dem sonstigen Einkommen nunmehr noch 21,61 € KV-Beitrag, 4,51 € PV-Beitrag aus der Privatrente iHv 148,02 €).
Um diese Verbeitragung zu vermeiden, kündigte der Kläger den Vertrag mit der A zum 31.08.2020 und ließ sich die Leistung einschließlich Überschussbeteiligung iHv 41.618,16 € am 01.09.2020 auszahlen. Die Beklagte zu 1 setzte daraufhin mit Bescheid vom 18.09.2020 (Bl 35 V-Akte) auch im Namen der Beklagten zu 2 die zu entrichtenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung unter Aufhebung des bisherigen Beitragsbescheides ab dem 01.09.2020 vorläufig neu fest. Für den Monat September 2020 erfolgte die Beitragsfestsetzung noch ohne Berücksichtigung der Privatrente. Dagegen zog die Beklagte ab dem 01.10.2020 neben dem Arbeitseinkommen (monatlich 1.876,33 €) und sonstigen Kapitaleinkünften (monatlich 9,33 €) auch 1/120 des Zahlbetrages der dem Kläger von der A ausgezahlten Leistung für 120 Monate (monatlich 346,81 €) zur Beitragsbemessung heran. Hieraus ergab sich monatlich ein zusätzlicher Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von 50,63 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 10,58 €. Außerdem wurde der Zusatzbeitrag (1,0 %) aus dem Gesamtbetrag von 2.232,47 € (1.876,33 € + 9,33 € + 346,81 €) erhoben. Zur Begründung führte die Beklagte zu 1 ua aus, laut Schreiben der A vom 13.08.2020 habe der Kläger seine Sofortrente zum 31.08.2020 gekündigt und erhalte daraus eine einmalige Kapitalleistung zum 01.09.2020 von 41.618,16 €. Für die Zuordnung von einmaligen Kapitalauszahlungen sei § 5 Abs 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) maßgeblich. Folglich sei die Kapitalleistung vom Zeitpunkt des auf die Auszahlung (hier:01.09.2020) folgenden Monats (ab 01.10.2020) dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem 1/120 des Zahlbetrags der Leistung für 120 Monate (10 Jahre) zuzuordnen.
Hiergegen legte der Kläger am 23.09.2020 Widerspruch ein mit der Begründung, er habe die Zahlung als Rückkaufswert erhalten. Dieser bestehe zu 98 % aus den in den Vertrag eingebrachten Erbschaftsgeldern. Hierbei handele es sich nicht um eine Leistung des Versicherers. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2020 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 1 den Widerspruch auch im Namen der Beklagten zu 2 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 09.12.2020 Klage beim Sozialgericht Ulm (S 5 KR 3039/20) erhoben unter Verweis auf die bisherige Begründung. Die Beklagte hat erwidert, es spiele keine Rolle, woher der vom Kläger eingezahlte Einmalbetrag in die private Rentenversicherung gekommen sei. Tatsache sei, dass er eine private Rentenversicherung bei der A abgeschlossen habe. Es sei auch unerheblich, dass der Vertrag gekündigt worden sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in verschiedenen Urteilen ausdrücklich bestätigt, dass Leistungen aus einer privaten Rentenversicherung mit ihrem Zahlbetrag zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehörten. Mit Urteil vom 25.04.2012 (B 12 KR 26/10 R) habe das BSG auch bestätigt, dass der Rückkaufswert bei einer Leistung aus betrieblicher Altersvorsorge eines Arbeitnehmers der Beitragspflicht unterliege.
Mit Urteil vom 25.03.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagten hätten die Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab 01.10.2020 in rechtmäßiger Höhe vorgenomme...