Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. manuelle Therapie. kein Anspruch auf Genehmigung einer langfristigen Heilmittelbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein "immer wieder" auftretender Behandlungsbedarf begründet noch keinen Anspruch auf Genehmigung einer langfristigen Heilmittelbehandlung in Form von manueller Therapie.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19.11.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Genehmigung einer langfristigen Heilmittelbehandlung in Form von manueller Therapie (MT).

Die 1967 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei ihr besteht ein Zn viermaliger Bandscheibenoperation mit Spondylodese L3-S1 (2002-2005) mit Schraubenbruch L3 und Zn Hüft-TEP 2010. Die Klägerin beantragte am 18.07.2017 die langfristige Genehmigung von Heilmittelverordnungen nach § 32 Abs 1a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) iVm der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinie ≪HeilM-RL≫). Zusätzlich legte sie eine Verordnung für 6x manuelle Therapie außerhalb des Regelfalls der Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. T. vom 12.07.2017 vor. Angegeben war in der Verordnung der Indikationsschlüssel WS2a und die ICD-10-Codes M51.1 (lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie) und G55.1 (Kompression von Nervenwurzeln und Nervenplexus bei Bandscheibenschäden).

Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein, der unter dem 24.07.2017 zu dem Ergebnis kam, dass die Erkrankungen der Klägerin hinsichtlich Schwere und Dauerhaftigkeit nicht vergleichbar seien mit den in der Anlage 2 genannten und am ehesten passenden Krankheitsbildern wie zB M05.0 (iS einer seropositiven chronischen Polyarthritis) unter der gleichen Diagnosegruppe WS2. Zunächst spreche eine offenbar fehlende weiterführende Diagnostik eher gegen das Vorliegen des angegebenen Therapiebedarfs. Des Weiteren finde sich die Kombination von M51.2 und G55.1 für einen Zeitraum von längstens sechs Monaten nach dem Akutereignis in den Rahmenvereinbarungen (Anhang 1 zur Anlage 2) iS eines besonderen Versorgungsbedarfs gelistet.

Mit Bescheid vom 26.07.2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf langfristige Heilmittelverordnung ab. Langfristige Genehmigungen könnten nach § 8a HeilM-RL nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen erfolgen. Hierfür sei eine eingeschränkte Auswahl von sehr schweren Erkrankungen bestimmt. Nur wenn nicht in der Anlage 2 der HeilM-RL genannte Erkrankungen nach Art, Schwere und Dauer mit gelisteten Erkrankungen vergleichbar seien, könne eine Langfristgenehmigung erfolgen. Das sei hier aber nicht der Fall. Es könne aber weiter eine reguläre Verordnung der Heilmittel erfolgen.

Hiergegen legte die Klägerin am 01.08.2017 Widerspruch ein. Dass eine weiterführende Diagnostik fehle, könne nicht nachvollzogen werden. Sie befinde sich seit der Implantation der dynamischen Stabilisierung der Wirbelkörper L3-S1 fast durchgängig ein bis zweimal pro Woche in der Physiotherapie. Wenn sie keine manuelle Therapie erhalte, merke sie dies leider sofort. Ihre Schmerzen würden größer, wodurch ihre Fehlhaltungen verstärkt würden, was wiederum in eine sich steigernde Schmerzsymptomatik münde. Lediglich durch die regelmäßige Physiotherapie erhalte sie Entlastung, um aus dieser Schmerzspirale herauszukommen. In Zeiten, wo Physiotherapie nicht möglich sei, sei sie leider gezwungen, ihre Schmerzmitteldosierung (Ibuprofen bzw Tilidin) zu steigern, um ihren Alltag einigermaßen gestalten zu können. Zudem habe sie einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von 50 sowie der Feststellung des Merkzeichens „G“. Ergänzend legte sie eine Stellungnahme von Dr. T. vom 28.08.2017 vor. Darin wurde ausgeführt, dass ein komplexes chronisches Schmerzsyndrom und ein postoperatives Nukleotomiesyndrom bestehe. Ziel der Therapie sei eine Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung. Eine weiterführende Diagnostik sei hier nicht sinnvoll. Auch sei ein Vergleich medizinischer Diagnosen nicht möglich, ohne die Schwere und Ausprägung der Erkrankung durch eine Untersuchung zu berücksichtigen. Die Empfehlung, im Intervall lediglich Krankengymnastik verschreiben, halte sie für medizinisch nicht ausreichend.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Begutachtung der Klägerin durch den MDK. In dem nach persönlicher Untersuchung erstellten Gutachten vom 20.11.2017 gelangte der MDK zu dem Ergebnis, dass die hier vorliegenden funktionellen bzw strukturellen Schädigungen wie Koordinationsstörungen und Schmerzen sich hinsichtlich der Schwere und Dauerhaftigkeit nicht mit den zu erwartenden Schädigungen der in der Anlage 2 genannten und aus medizinischer Sicht am ehesten passenden Krankheitsbildern wie zB pr...

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