Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Heilmittelversorgung. Anspruch auf Genehmigung einer langfristigen Heilmittelbehandlung mit Krankengymnastik und Fango. Feststellung des langfristigen Heilmittelbedarfes nach § 8a Abs 3 HeilMRL. Vergleichbarkeit der Schädigungen mit denen der Anlage 2 HeilMRL sowohl hinsichtlich der Diagnose als auch der Diagnosegruppe bzw des Indikationsschlüssels

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der nach § 8a Abs 3 HeilM-RL (juris: HeilMRL) zu treffenden Feststellung, ob ein langfristiger Heilmittelbedarf vorliegt, ist zu beachten, dass die Diagnoseliste in Anlage 2 der HeilM-RL Diagnosegruppen und Indikationsschlüssel benennt und die Art des grundsätzlich in Betracht kommenden Heilmittels regelt. Die von § 8a Abs 3 HeilM-RL geforderte Vergleichbarkeit der Schädigungen mit denen der Anlage 2 muss sowohl hinsichtlich der Diagnose als auch der Diagnosegruppe bzw des Indikationsschlüssels gegeben sein.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.11.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Genehmigung einer langfristigen Heilmittelbehandlung in Form von Krankengymnastik und Fango.

Die am … 1967 geborene Klägerin legte ein Attest ihrer Hausarztpraxis E. vom 26.07.2017 bei der Beklagten vor, in dem die Diagnosen einer skoliotischen Wirbelsäulendeformation, eines chronischen Brust- und Lendenwirbelsäulensyndroms, einer Somatisierungsstörung, einer Dysthymie sowie einer Persönlichkeitsstörung genannt wurden. Wegen des komplexen Krankheitsbildes habe die Klägerin in den letzten Jahren zweimal pro Woche eine Doppelstunde Physiotherapie erhalten. Gleichzeitig habe eine psychotherapeutische Behandlung mit ein bis zwei Wochenstunden stattgefunden. Leider sei eine weitere krankengymnastische Behandlung auf Kassenrezept wegen fehlender Indikation für eine Langzeitverordnung außerhalb des Regelfalles nicht mehr möglich. Im gültigen Diagnosekatalog seien die beschriebenen Erkrankungen nicht eindeutig abwägbar. Aus diesem Grunde beantrage man die Übernahme der physiotherapeutischen Behandlung im Rahmen eines Privatrezeptes durch die Krankenkasse. Der Arzt gab an, der festen Überzeugung zu sein, dass die weitere physiotherapeutische Behandlung mit zwei Doppelstunden pro Woche dringend indiziert sei, um weitere Gesundheitsstörungen abzuwenden.

Auf Anforderung der Beklagten übersandte die Klägerin unter dem 04.08.2017 zwei Verordnungen von jeweils zwölfmal einer Doppelstunde Krankengymnastik und sechsmal Wärmepackungen (zB Fango) außerhalb des Regelfalles, datiert auf den 09.05.2017 (eingelöst) und 04.08.2017. Am 04.08.2017 teilte die Beklagte mit, dass die Kosten für die Krankengymnastik (Doppelstunden) und Wärmepackungen übernommen würden. Die Therapie brauche nicht genehmigt zu werden, sondern könne mit der Verordnung direkt durch den Therapeuten erfolgen.

Ebenfalls am 04.08.2017 stellte die Klägerin den Antrag auf eine langfristige Versorgung mit Heilmitteln nach § 8a der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinie ≪ HeilM-RL ≫). Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) ein, der unter dem 09.08.2017 zu dem Ergebnis kam, dass die Erkrankungen der Klägerin hinsichtlich Schwere und Dauerhaftigkeit nicht vergleichbar seien mit den in der Anlage des Merkblattes des Gemeinsamen Bundesausschusses aufgeführten Diagnosen. Ein langfristiger Heilmittelbedarf sei nicht nachvollziehbar.

Die Beklagte lehnte die langfristige Genehmigung von Krankengymnastik und Fango mit Bescheid vom 14.08.2017 ab. Hiergegen legte die Klägerin am 31.08.2017 Widerspruch ein. Diesen begründete sie mit einem Attest ihrer Psychotherapeutin, der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. W. vom 27.08.2017. Es lägen ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörungen vor, die zu einer vegetativen Übererregbarkeit mit Ein- und Durchschlafstörungen, ausgeprägter Schreckhaftigkeit und Hypervigilanz führten. Die Klägerin leide unter Angst und Panik sowie Intrusionen und Flashbacks. Dies führe im körperlichen Bereich zu andauernder und verstärkter sowie schmerzhafter Muskelanspannung, die durch ein in einem früheren Attest beschriebenes Wirbelsäulensyndrom noch verstärkt würden, so dass Schmerzen und Bewegungseinschränkungen kumulierten. Die Fortführung der physiotherapeutischen Maßnahmen werde die psychotherapeutische Behandlung deutlich unterstützen. Die Klägerin gehöre durch die Schwere und Dauerhaftigkeit ihres Beschwerdebildes zu dem Personenkreis, dessen Diagnose vergleichbar sei mit den in der Anlage des Merkblattes des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 22.11.2012 genannten.

Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme des MDK ein. Dieser führte unter dem 08.09.2017 aus, dass schwerwiegende funktionelle Defizite od...

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