nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 30.11.2000; Aktenzeichen S 13 V 187/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. November aufgehoben.Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen eines 1946 erlittenen Stromunfalles in einem sowjetischen Filtrationslager Anspruch auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.
Der am 01.09.1926 geborene, in Lettland lebende Kläger stellte einen dementsprechenden Antrag beim Versorgungsamt Ravensburg (VA) mit Schreiben vom 01.11.1990. Darin führte er aus, am 19.05.1942 sei er nach Deutschland zu Zwangsarbeiten geschickt worden. Am 09.01.1945 sei er in das 15. Lettische Bataillon der SS-Division einberufen worden. In der Nacht vom 04. auf den 05.04.1945 sei er von Russen gefangengenommen worden. Am 09.04.1945 sei er schon als Lette in die Sowjetarmee einberufen worden. Am 16.09.1945 sei er ohne Anklageschrift, Gericht und Untersuchung als ein deutscher Kriegsgefangener ins Lager der NKVD Nr. 258 geworfen worden. Hier habe er sich durch einen Stromunfall am 10.04.1946 schwerste Verletzungen zugezogen. Erst nach sieben Tagen habe die Krankenschwester erreicht, dass der Lagerverwalter ihn ins Krankenhaus geschickt habe. Dort habe ihm der linke Arm amputiert werden müssen.
Ergänzend teilte der Kläger am 22.12.1992 mit, am Unfalltag sei er beauftragt gewesen, eine Grube unter der Hochspannungsleitung zu graben. Plötzlich sei er bewusstlos geworden. Als er das Bewusstsein wiedererlangt habe, habe er sich in der Baracke auf einer Pritsche mit unerträglichen Schmerzen an beiden Armen befunden. Erst nach böswilliger Verzögerung, die sieben Tage angedauert habe, habe der Lagerführer erlaubt, ihn ins Krankenhaus zu bringen, um die Erste Hilfe zu leisten. Im ... Stadtkrankenhaus sei er vom 17.04. bis 18.07.1946 behandelt worden.
Aus der Bescheinigung des Archivs des Verteidigungsministeriums der UdSSR vom 30.01.1958 ergibt sich, dass der Kläger am 09.04.1945 zur Roten Armee als Rotarmist des 205. Schützenregiments des 2. Bataillons einberufen worden ist. Der Kläger habe Dienst geleistet in Deutschland von 1942 bis 1945 und sei am 16.09.1945 in das Speziallager der NKVD Nr. 258 eingeliefert worden.
Dieser Sachverhalt ist auch in der Bescheinigung des Lettischen Ministeriums für die soziale Fürsorge, Riga, vom 02.12.1956 bestätigt worden. Ergänzend ist ausgeführt, die Beschädigung, die der Kläger während des Aufenthaltes im Sonderlager/Speziallager erlitten habe, habe er nicht während der Tätigkeit auf vertraglicher Grundlage erlitten, weshalb ihm aus diesem Anlass keine Invalidenrente gewährt werden könne.
Aus der Archivbescheinigung des Lettischen Historischen Staatsarchivs vom 31.05.1993 ergibt sich, dass der Kläger wegen der Brandwunden des Stromunfalles in der Zeit vom 17.04. bis 27.05.1946 in der Klinik der Stadt J. am linken Arm behandelt und dass dort der linke Arm aufgrund einer Blutvergiftung amputiert worden sei.
Am 18.03.1993 gab das Lettische Historische Staatsarchiv die Auskunft, der Kläger habe vom 09.04.1945 bis zum August 1945 Dienst als Soldat der Roten Armee der 326. Division des Schützenregiments Nr. 1097 geleistet.
Mit Bescheid vom 02.01.1995 lehnte das VA den Antrag des Klägers auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem BVG ab, da der erlittene Unfall kein versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand im Sinne des BVG sei und der Kläger somit nicht unter den anspruchsberechtigten Personenkreis des BVG falle. Die Lagerhaft in der Zeit vom 16.09.1945 bis 21.06.1946 könne nicht als Kriegsgefangenschaft gemäß § 1 Abs. 2b BVG gewertet werden, da der Kläger nach seinem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht bzw. vor seiner Inhaftierung und Überstellung in das Lager Soldat der Sowjetarmee gewesen sei.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte u.a. geltend, er sei nicht freiwillig nach Deutschland zu Zwangsarbeiten gegangen, sondern er sei gezwungen worden, in der Wehrmacht Dienst zu leisten. Wie sich aus der Antwort des Sozialministeriums vom 11.12.1959 ergebe, habe er sich Anfang 1945 bei der deutschen Wehrmacht befunden und sei danach in die Sowjetarmee einberufen worden und gleich als Strafe für diese Wehrmachtszeit in ein besonderes Lager überführt worden. Hieraus werde klar, dass er sich in der Sowjetarmee nur für eine kurze Zeit befunden habe. Im Speziallager sei er eingesetzt worden, um die Strafe für den Wehrmachtsdienst abzubüßen und gerade in dieser Zeit sei er durch den Stromunfall verkrüppelt worden. Wenn er nicht zur deutschen Wehrmacht einberufen worden wäre, hätten die Russen auch keinen Grund gehabt, ihn in das Speziallager zu werfen und er hätte den Stromunfall nicht erlitten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.1995 wurde...