Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht. Architekt. berufsspezifische Tätigkeit. Tätigkeit im kaufmännischen Bereich

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI setzt die Ausübung einer Tätigkeit voraus, wegen der die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgung begründet ist. Für die Annahme einer berufsspezifischen Tätigkeit in diesem Sinn ist erforderlich, dass die ausgeübte Tätigkeit dem Kernbereich der versorgungs- und kammerrechtlich definierten Berufsaufgabe zugeordnet werden kann (Anschluss an LSG Essen vom 19.5.2017 - L 14 R 1109/14). Dies ist bei einem Architekten, der mit der Ausschreibung von Nachunternehmerleistungen, der Projektkalkulation einschließlich der Ausarbeitung von Angeboten, den kaufmännischen Vorverhandlungen und der Bearbeitung von Nachunternehmerleistungen, der Pflege der Nachunternehmer- und Preisdatenbanken sowie der Erstellung von Preisspiegeln befasst ist und damit weitestgehend in den Leistungsphasen 6 und 7 der HOAI (juris: HOAI 2013) tätig wird, nicht der Fall, da die Tätigkeit dem kaufmännischen Bereich bzw dem des technischen Einkaufs, nicht jedoch dem planerisch-gestaltenden Bereich zuzuordnen ist.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10.11.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 01.07.2015.

Die im Jahr 1973 geborene Klägerin ist Architektin und seit 11.07.2000 aufgrund gesetzlicher Pflichtmitgliedschaft Mitglied der A. Baden-Württemberg, der späteren Beigeladenen zu 2), sowie kraft Gesetz seit dem 01.08.2000 Mitglied des V. der A. Baden-Württemberg, der späteren Beigeladenen zu 1). Seit dem 01.07.2015 ist sie auf Grundlage eines Anstellungsvertrages vom 16.03.2015 als Sachbearbeiterin für den technischen Einkauf mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden bei der G. S. GmbH, H. a.d.B. (G GmbH) tätig.

Am 04.05.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung betr. ihre Tätigkeit bei der G GmbH ab dem 01.07.2015. Sie legte hierzu den Anstellungsvertrag vom 16.03.2015 vor, in dem u.a. niedergelegt ist, dass sie, die Klägerin als Sachbearbeiterin im Technischen Einkauf eingestellt werde und in dem das Aufgabengebiet mit der Ausschreibung von Nachunternehmerleistungen, der Terminplanbearbeitung für die Projektabwicklung, der technischen Klärung der ausgeschriebenen Leistungen mit den Anbietern, der Projektkalkulation einschließlich der Ausarbeitung des kompletten Angebots, der Angebotsauswertung und kaufmännischen Vorverhandlungen für Nachunternehmerleistungen, der Überprüfung der Ausführungspläne und technischen Vergabeverhandlungen als Vorbereitung für kaufmännische Vergabeverhandlung, der Bearbeitung von Bestellungen und Abrechnungen für Nachunternehmerleistungen, der Pflege der Nachunternehmer- und Preisdatenbank sowie der Erstellung eines Preisspiegels beschrieben ist.

Auf Anfrage der Beklagten legte die Klägerin eine Bescheinigung der G GmbH vom 13.10.2015 vor, nach der der Technische Einkauf, das Aufgabengebiet der Klägerin, den Leistungsphasen 6 und 7 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) entspreche. Sie, die G-GmbH, stelle im Technischen Einkauf bevorzugt Architekten ein; zur Spitzenabdeckung akquiriere sie jedoch auch externe Ingenieurbüros. Würden, so die G GmbH weiter, die von der Klägerin erfüllten Aufgaben vom Angestellten mit anderen Abschlüssen bearbeitet, führte dies zu einem höheren zeitlichen Aufwand in der Zusammenarbeit mit den planenden Architekten. Die Aufgaben der Klägerin entsprächen den üblichen Aufgaben eines Architekten in den Leistungsphasen 6 und 7 HOAI.

Mit Bescheid vom 09.11.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) setze, so die Beklagte, einen inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit, für die eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht begehrt werde, und dem Versicherungsschutz, der durch die berufsständische Versorgungseinrichtung gewährt werde, voraus. Eine berufsspezifische Tätigkeit i.d.S. sei dann anzunehmen, wenn die Tätigkeit, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht begehrt werde, dem typischen Berufsbild und Tätigkeitsbereich des Berufs entspreche. Das Leistungsbild der Architekten umfasse für die Gebäudeplanung und die Realisierung nach § 34 Abs. 3 HOAI die Leistungsphasen der Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung, Ausführungsplanung, Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der V...

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