Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer Mitgliedschaft des Versicherten in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung

 

Orientierungssatz

1. Die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer Mitgliedschaft des Versicherten in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 steht nur solchen Personen zu, die eine berufsspezifische Tätigkeit ausüben. Diese müssen eine für den in der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung pflichtversicherten Personenkreis typische Berufstätigkeit abhängig beschäftigt oder selbständig ausüben.

2. Erforderlich ist insofern, dass die Tätigkeit dem Kernbereich der versorgungs- und kammerrechtlich definierten Berufsaufgaben zugeordnet werden kann; d. h. die Tätigkeit muss die typischen, prägenden Aufgaben nach Maßgabe des Kammer- und Versorgungsrechts umfassen.

3. Das Berufsbild des Architekten wird durch das Bauen und das hierüber hinausgehende Schaffen von Architektur geprägt. Für einen Architekten ist nicht berufstypisch die wirtschaftliche Begleitung eines Projekts im Wege der Angebotsausschreibung, die Vergabe von Leistungen und die Erstellung von Preisspiegeln.

4. Dieser Teilaspekt ist unzureichend, die Tätigkeit eines Versicherten als Sachbearbeiter im technischen Einkauf dem Kernbereich der Architektentätigkeit nach den kammerrechtlichen Grundsätzen zuzuordnen. Dies schließt die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund einer Mitgliedschaft des Versicherten in der berufsständischen Versorgungseinrichtung der Architekten nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 aus.

 

Normenkette

SGB VI § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 Sätze 1-2, § 1 S. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; ArchG BW § 1 Abs. 1, § 5 Sätze 1-2, § 3 Abs. 1; SGB IV §§ 7, 8 Abs. 1; BGB § 611; SGG § 54 Abs. 1, § 75 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.12.2018; Aktenzeichen B 5 RE 1/18 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10.11.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 01.07.2015.

Die im Jahr 1973 geborene Klägerin ist Architektin und seit 11.07.2000 aufgrund gesetzlicher Pflichtmitgliedschaft Mitglied der A. Baden-Württemberg, der späteren Beigeladenen zu 2), sowie kraft Gesetz seit dem 01.08.2000 Mitglied des V. der A. Baden-Württemberg, der späteren Beigeladenen zu 1). Seit dem 01.07.2015 ist sie auf Grundlage eines Anstellungsvertrages vom 16.03.2015 als Sachbearbeiterin für den technischen Einkauf mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden bei der G. S. GmbH, H. a.d.B. (G GmbH) tätig.

Am 04.05.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung betr. ihre Tätigkeit bei der G GmbH ab dem 01.07.2015. Sie legte hierzu den Anstellungsvertrag vom 16.03.2015 vor, in dem u.a. niedergelegt ist, dass sie, die Klägerin als Sachbearbeiterin im Technischen Einkauf eingestellt werde und in dem das Aufgabengebiet mit der Ausschreibung von Nachunternehmerleistungen, der Terminplanbearbeitung für die Projektabwicklung, der technischen Klärung der ausgeschriebenen Leistungen mit den Anbietern, der Projektkalkulation einschließlich der Ausarbeitung des kompletten Angebots, der Angebotsauswertung und kaufmännischen Vorverhandlungen für Nachunternehmerleistungen, der Überprüfung der Ausführungspläne und technischen Vergabeverhandlungen als Vorbereitung für kaufmännische Vergabeverhandlung, der Bearbeitung von Bestellungen und Abrechnungen für Nachunternehmerleistungen, der Pflege der Nachunternehmer- und Preisdatenbank sowie der Erstellung eines Preisspiegels beschrieben ist.

Auf Anfrage der Beklagten legte die Klägerin eine Bescheinigung der G GmbH vom 13.10.2015 vor, nach der der Technische Einkauf, das Aufgabengebiet der Klägerin, den Leistungsphasen 6 und 7 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) entspreche. Sie, die G-GmbH, stelle im Technischen Einkauf bevorzugt Architekten ein; zur Spitzenabdeckung akquiriere sie jedoch auch externe Ingenieurbüros. Würden, so die G GmbH weiter, die von der Klägerin erfüllten Aufgaben vom Angestellten mit anderen Abschlüssen bearbeitet, führte dies zu einem höheren zeitlichen Aufwand in der Zusammenarbeit mit den planenden Architekten. Die Aufgaben der Klägerin entsprächen den üblichen Aufgaben eines Architekten in den Leistungsphasen 6 und 7 HOAI.

Mit Bescheid vom 09.11.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) setze, so die Beklagte, einen inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit, für die eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ...

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