Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Versicherungspflichtverhältnis. Versicherungsfreiheit. Beschäftigung als studentische Hilfskraft. Werkstudentenprivileg. Erscheinungsbild. vorausschauende Betrachtung. Studienziel
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit einer studentischen Hilfskraft ist versicherungsfrei, solange der Betroffene nach seinem Erscheinungsbild Student ist und das Erreichen des Studienziels (hier: Drittes Medizinisches Staatsexamen) weiterhin im Vordergrund steht.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. Dezember 2016. Die Beklagte hat den Antrag auf Arbeitslosengeld mangels Erfüllung der erforderlichen Anwartschaftszeit abgelehnt.
Der im Januar 1966 geborene Kläger war vom 6. Oktober 2008 bis 29. September 2016 immatrikulierter Student an der Universität H.. Im August 2009 bestand er das erste medizinische Staatsexamen. Nach dem zweiten medizinischen Staatsexamen absolvierte er vom 16. November 2015 bis 30. September 2016 sein praktisches Jahr (PJ) in Vollzeit und legte dann am 22. November 2016 das dritte Staatsexamen ab.
Am 15. September 2016 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er gab an, er sei vom 1. Dezember 2008 bis 30. Juni 2016 beim Universitätsrechenzentrum (URZ) der Universität H. beschäftigt gewesen. Nach den Angaben des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (LBV) in der Arbeitsbescheinigung vom 22. September 2016 war der Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 2008 bis 30. Juni 2016 mit einer vereinbarten durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 85 Stunden pro Monat beschäftigt gewesen.
Der Kläger legte außerdem das Protokoll über die öffentliche Sitzung des Arbeitsgerichts Mannheim vom 12. August 2014 (5 Ca 256/14) vor. In diesem Verfahren schlossen der Kläger und der dortige Beklagte - das Land Baden-Württemberg vertreten durch den Rektor der Universität H. - einen Vergleich dahingehend, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni 2016 fortgesetzt werde. Die Weiterbeschäftigung bis dahin erfolge “zu unveränderten Arbeitsbedingungen gemäß dem bisherigen Arbeitsvertrag vom 11. Dezember 2013„.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 ab, da der Kläger in den letzten zwei Jahren vor dem 15. September 2016 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei und die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Da er parallel zu seinem Studium eine Beschäftigung ausgeübt habe, die weniger als 20 Stunden pro Woche umfasst habe, zähle er zum Personenkreis der ordentlich Studierenden und somit liege Versicherungsfreiheit vor.
Mit seinem hiergegen am 26. Oktober 2016 eingelegten Widerspruch trug der Kläger vor, nach der ständigen Rechtsprechung des BSG unterlägen Personen der Versicherungspflicht, die neben ihrem Studium wöchentlich mehr als 20 Stunden beschäftigt seien und deren zeitlicher Schwerpunkt in der Ausübung der beruflichen Tätigkeit liege. Er habe 2006 im Alter von 40 Jahren mit dem Studium begonnen und arbeite seit 2008 für das URZ der Universität H.. Ab Mitte 2014 sei er scheinfrei gewesen, das heißt “alle uni-internen Prüfungen„ seien erfolgreich abgelegt gewesen. Danach sei er zwar noch immatrikuliert gewesen, aber sein täglicher Schwerpunkt habe ausschließlich in der Ausübung seiner Tätigkeit für das Rechenzentrum gelegen. Um dieser Tätigkeit gerecht zu werden, habe er mehr als 20 Stunden in der Woche gearbeitet. Er legte das Arbeitszeugnis des URZ vom 30. Juni 2016 vor, nach dem er vom 1. Dezember 2008 bis 30. Juni 2016 “als studentische Hilfskraft beschäftigt„ gewesen sei. Weiter legte er drei zwischen ihm und der Universität H. geschlossene Arbeitsverträge “für eine studentische Hilfskraft (ohne Abschluss)„ vom 20. Juni 2012, 5. Juni 2013 und 11. Dezember 2013 vor, die jeweils für sechs Monate befristet waren. In diesen Verträgen hieß es jeweils unter § 2, die Arbeitszeit betrage ausschließlich der Pausen monatlich 85 Stunden und eine maximale Stundenzahl von 19,5 Stunden pro Woche dürfe nicht überschritten werden. Die Vergütung betrage je Stunde 8,67 €. Weiterhin legte er von ihm durch Unterschrift quittierte Arbeitszeitblätter “für wissenschaftliche Hilfskräfte„ für die Zeit von Oktober 2014 bis Juni 2016 vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2016 als unbegründet zurück. Innerhalb der die Zeit vom 30. September 2014 bis 29. September 2016 umfassenden Rahmenfrist sei der Kläger bis wenigstens 30. Juni 2016 immatrikulierter Student und laut Arbeitsvertrag in dieser Zeit mit einer monatlichen Arbeitszeit von 85 Stunden beschäftigt gewesen, was einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,62 Stunden ...