Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Versicherungsfreiheit eines in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Studenten
Orientierungssatz
1. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer u. a. die Anwartschaftszeit nach § 142 Abs. 1 S. 1 SGB 3 erfüllt; d. h. wer in der Rahmenfrist des § 143 SGB 3 mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.
2. In einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht u. a., wer bei seiner Tätigkeit dem Direktionsrecht einer Universität untersteht. Allerdings sind nach der Ausnahmevorschrift des § 27 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB 3 Personen versicherungsfrei, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule eine Beschäftigung ausüben.
3. Studenten, die während ihrer Ausbildung eine Beschäftigung ausüben, sollen versicherungsfrei sein, wenn sie ihrem Erscheinungsbild nach weiterhin Student sind. Grundsätzlich gilt dabei eine Grenze von 20 Wochenstunden bzw. von 50 Arbeitstagen im Jahr.
4. Bei einer vereinbarten monatlichen Tätigkeitsdauer von 85 Stunden beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 19,62 Stunden. Sie liegt damit unter der maßgeblichen 20-Stunden-Grenze.
5. Wegen der Frage der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen ist die Versicherungspflicht einer Beschäftigung in einer vorausschauenden Betrachtungsweise vorzunehmen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gegenüber der Beklagten geltend.
Der am 31.01.1966 geborene Kläger war jahrelang als EDV-Experte tätig, bevor er im Alter von 40 Jahren das Studium der Medizin aufnahm. Im August 2009 legte er erfolgreich das erste Staatsexamen ab. Ab Juni 2014 war er scheinfrei. Das praktische Jahr führte der Kläger in Vollzeit vom 16.11.2015 bis 30.09.2016 aus. Das dritte Staatsexamen legte er am 22.11.2016 ab. Ab Januar 2017 geht der Kläger einer Beschäftigung als Arzt nach.
Vom 01.12.2008 bis 30.06.2016 stand der Kläger in einem Arbeitsverhältnis als studentische Hilfskraft im Universitätsrechenzentrum der Universität … . Entsprechende Arbeitsverträge wurden geschlossen am 02.07.2012 über den Zeitraum 01.07. bis 31.12.2012, am 10.06.2013 über den Zeitraum 01.07. bis 31.12.2013 und am 11.12.2013 über den Zeitraum 01.01. bis 30.06.2014. Als Arbeitszeit waren monatlich 85 Stunden vereinbart, wobei pro Woche die maximale Stundenzahl von 19,5 Stunden nicht überschritten werden durfte. Hinsichtlich des Erholungsurlaubes wurde auf das Bundesurlaubsgesetz verwiesen. Die zustehenden 24 Werktage im Kalenderjahr seien während der vorlesungsfreien Zeit zu nehmen. Nachdem das Arbeitsverhältnis seitens des Arbeitgebers zunächst nicht verlängert werden sollte, schlossen das Land … und der Kläger vor dem Arbeitsgericht … - Kammern … - (5 Ca 256/14) in öffentlicher Sitzung am 12.08.2014 folgenden Vergleich:
§ 1
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wird bis zum 30.06.2016 fortgesetzt und endet mit diesem Zeitpunkt durch Befristungsablauf. Die Weiterbeschäftigung erfolgt zu unveränderten Arbeitsbedingungen gemäß dem bisherigen Arbeitsvertrag vom 11.12.2013. Der Kläger erklärt sich bereit, auch an anderen Einsatzorten außerhalb des URZ im EDV-Bereich innerhalb der Universität Heidelberg beschäftigt zu werden, soweit der Einsatz innerhalb des städtischen Bereichs Heidelberg erfolgt. Im etwaigen Falle einer Exmatrikulation endet das Arbeitsverhältnis vorzeitig zum Zeitpunkt der Exmatrikulation.
§ 2
Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
Der Kläger exmatrikulierte sich zum Ende des Sommersemesters 2016.
Am 15.09.2016 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Er sei als Student vom 01.12.2008 bis 30.06.2016 für die Universität … versicherungspflichtig tätig gewesen. Mit Ausnahme des Zeitraums des Krankengeldbezuges vom 07.09. bis 16.10.2015 sei die Versicherung über die Universität … durchgeführt worden.
Durch Bescheid vom 18.10.2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld ab. Der Kläger sei in den letzten zwei Jahren vor dem 15.09.2016 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig gewesen und habe daher die für die Bewilligung von Arbeitslosengeld erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Da er parallel zu seinem Studium eine Beschäftigung ausgeübt habe, die weniger als 20 Stunden wöchentlich umfasste, zähle er zum Personenkreis der ordentlich Studierenden. Somit liege in dieser Beschäftigung Versicherungsfreiheit vor.
Hiergegen legte der Kläger am 26.10.2016 mit der Begründung Widerspruch ein, dass er ab dem Kalenderjahr 2014 scheinfrei gewesen sei und mehr als 20 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Sein zeitlicher Schwerpunkt habe daher in der Ausübung der beruflichen Tätigkeit gelegen. Er sei daher dem Erscheinungsbild nach als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer anzusehen.
Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger die durch ihn ausgefüll...