Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf Krankengeld trotz fehlender ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch auf Krankengeld trotz fehlender ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit wegen Fehleinschätzung des die Arbeitsunfähigkeit nachträglich bescheinigenden Vertragsarztes.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts wie folgt neu gefasst wird:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 15. März 2011 verurteilt, der Klägerin vom 25. Oktober bis 29. November 2010 Krankengeld unter Anrechnung bereits gezahlten Arbeitslosengelds zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für die Zeit vom 25. Oktober 2010 bis 29. November 2010 Anspruch auf Krankengeld hatte.
Die 1950 geborene Klägerin war als Bürokraft bei der Firma C. Verpackungssysteme Vertriebs GmbH in W. versicherungspflichtig beschäftigt und deswegen versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 30. September 2010. Bis zum Zeitpunkt der Beendigung erhielt die Klägerin Arbeitsentgelt.
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M.-W. bescheinigte der Klägerin Arbeitsunfähigkeit mit der Erstbescheinigung vom 28. September 2010 bis voraussichtlich Sonntag, den 24. Oktober 2010. Als Diagnosen gab sie F 33.1 G (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode; gesicherte Diagnose), F 34.1 G (anhaltende affektive Störung, Dysthymia; gesicherte Diagnose) an. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin hierauf Krankengeld für die Zeit vom 01. bis 24. Oktober 2010 in Höhe eines täglichen Krankengelds von € 47,30.
Am Montag, dem 25. Oktober 2010 bescheinigte Ärztin M.-W. der Klägerin mit einem Auszahlschein für Krankengeld Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres. Als Diagnose gab sie wiederum F 33.1 G an. Die Beklagte lehnte es ab, der Klägerin ab 25. Oktober 2010 Krankengeld zu zahlen (Bescheid vom 26. Oktober 2010). Zur Begründung führte sie aus, der Gesetzgeber sehe vor, dass bei Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld am Tag nach der ärztlichen Feststellung entstehe. Das Bundessozialgerichts (BSG) habe hierzu ergänzend entschieden, dass sich der Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich nach dem Versicherungsverhältnis richte, das am Tag nach der ärztlichen Feststellung bestehe (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 37/06 R -, SozR 4-2500 § 46 Nr. 2). Da die Arbeitsunfähigkeit am 25. Oktober 2010 ärztlich festgestellt worden sei, seien die Verhältnisse am 26. Oktober 2010 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bestehe für die Klägerin jedoch keine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld mehr, da ihr Arbeitsverhältnis zum 30. September 2010 beendet worden sei.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin, die ab 25. Oktober 2010 Arbeitslosengeld bezog, geltend, bei ihr habe seit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 28. September 2010 ein medizinisch unverändertes Krankheitsbild bestanden, so dass aus ärztlicher Sicht auf Grund der Diagnose und des dabei bestehenden typischen Krankheitsverlaufs die ganze Zeit Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Es handele sich nicht um eine Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit mit den von der Beklagten genannten Folgen, sondern um eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit seit 28. September 2010. Dies habe zum einen zur Folge, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld aus dem bis zum 30. September 2010 bestehenden Arbeitsverhältnis bestanden habe und zum anderen, dass weiterhin die letzte berufliche Tätigkeit für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich sei und nicht etwa der allgemeine Arbeitsmarkt aufgrund der mittlerweile eingetretenen Arbeitslosigkeit (Verweis auf BSG, Urteil vom 07. Dezember 2004 - B 1 KR 5/03 R -, SozR 4-2500 § 44 Nr. 3). Außerdem werde auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Oktober 2007 (L 8 KR 228/06, in juris) hingewiesen, nach welchem gerade bei psychiatrischen Erkrankungen eine persönliche Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erforderlich sei, wenn der MDK von der eindeutigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den behandelnden Facharzt abweichen wolle. Ohne diese persönliche Untersuchung durch den MDK läge eine völlig unzureichende medizinische Sachverhaltsaufklärung vor, mit der die Beklagte die ihr obliegende Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen schuldhaft verletze. Die Klägerin legte eine Bescheinigung der Ärztin M.-W. vom 28. Oktober 2010 vor, wonach aus ärztlicher Sicht aufgrund der Diagnose und aufgrund des dabei bestehenden typische...