Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwalt. Vergütung. Prozesskostenhilfe. Aufhebung. Vertrauensschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden die vom Sozialgericht angeordnete Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts auf die gem. § 127 Abs. 3 ZPO von der Staatskasse eingelegte Beschwerde aufgehoben, ist ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis, das einen Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts begründen könnte, nicht entstanden.

2. Die rückwirkende Aufhebung der zuvor wirksam erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann bereits entstandene Gebührenansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts nicht berühren.

 

Normenkette

ZPO §§ 124, 127 Abs. 3; BRAGO § 121

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Beschluss vom 15.01.2003; Aktenzeichen S 68 U 584/00)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2003 aufgehoben.

Der Antrag des Antragstellers auf Festsetzung einer Vergütung gegen die Landeskasse wird abgelehnt.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob dem im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Antragsteller der Vergütungsanspruch nach § 121 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) zusteht, obwohl der Bewilligungsbeschluss aufgrund einer Beschwerde der Landeskasse gemäß § 127 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) aufgehoben worden ist.

Durch Beschluss vom 27. Februar 2001 hatte das Sozialgericht (SG) dem Kläger des Ausgangsverfahrens PKH bewilligt und den Antragsteller gemäß § 121 Abs. 4 ZPO beigeordnet. Auf die am 5. April 2001 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners hat das Landessozialgericht (LSG) durch Beschluss vom 3. Dezember 2001 den Beschluss des SG vom 27. Februar 2001 aufgehoben und den Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei nicht bedürftig. Er verfüge über ein Postsparguthaben von 6.074,32 DM, das um 1.574,32 DM über dem sogenannten Schonvermögen liege und zur Bestreitung der zu erwartenden Verfahrenskosten (Rechtsanwaltsgebühren) in Höhe von 858,40 DM ausreiche.

Der Antragsteller hatte bereits mit Schriftsatz vom 3. April 2001 – aufgrund eines zuvor geführten Mandantengespräches – weitere Ausführungen zur Begründung der Klage gemacht. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2001 hatte er – im Hinblick auf ein vom SG zwischenzeitlich eingeholtes medizinisches Gutachten – die Klage zurückgenommen und gleichzeitig einen Vergütungsanspruch in Höhe von 858,40 DM für seine anwaltliche Tätigkeit geltend gemacht. Er wies darauf hin, dass bereits entstandene Gebührenansprüche des beigeordneten Rechtsanwalts durch die Aufhebung des PKH-Bewilligungsbeschlusses nicht berührt würden.

Dem hielt der Antragsgegner entgegen, dass die Aufhebung der PKH-Bewilligung im Beschwerdeverfahren ex tunc wirke und daher der Beschluss des SG vom 27. Februar 2001 niemals Bestand erlangt habe.

Durch Beschluss vom 18. Februar 2002 hat die Urkundsbeamtin des SG das Kostenfestsetzungsgesuch des Antragstellers zurückgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Stellungnahme des Antragsgegners bezogen.

Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller das Gericht angerufen und die Auffassung vertreten, die Aufhebung der PKH-Bewilligung wirke nur im Verhältnis zum Antragsteller der PKH (also zum Kläger) ex tunc, nicht jedoch gegenüber dem beigeordneten Rechtsanwalt, dessen Beiordnung hinsichtlich des Gebührenanspruchs gegen die Landeskasse zumindest bis zum aufhebenden Beschluss des LSG bestehen bleibe. Dem Hinweis des Antragsgegners, es stehe dem Rechtsanwalt frei, gegen seinen Mandanten die Wahlanwaltsvergütung geltend zu machen, hielt der Antragsteller entgegen, es sei kein Mandatsvertrag zustande gekommen, weil “sich der Kläger diesen finanziell nicht leisten konnte und wollte”.

Mit Beschluss vom 15. Januar 2003 hat das SG die dem Antragsteller aus der Landeskasse auszuzahlenden Gebühren auf 438,89 Euro festgesetzt: Ebenso wie in dem Fall einer Aufhebung der PKH-Bewilligung nach § 124 Nr. 3 ZPO entfalle der sich aus der Bewilligung von PKH ergebende Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts nach § 121 BRAGO auch dann nicht, wenn die Aufhebung vor Ablauf der Beschwerdefrist des § 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO erfolgt sei. Es gebe keinen Grund für die unterschiedliche Behandlung dieser Fallgestaltungen. Die Aufhebung der Beiordnung habe für den Rechtsanwalt nur die Folge, dass er wegen des Wegfalls der Wirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nunmehr zusätzlich die von ihm vertretene Partei in Anspruch nehmen könne. Zu bedenken sei, dass – anders als im Falle der herkömmlichen Mandatierung – der Rechtsanwalt gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) die Vertretung der Partei, der er beigeordnet sei, übernehmen müsse. Damit trete der Rechtsanwalt zunächst – im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Beiordnung – in Vorleistung, da er wegen der Bewilligung von PKH Vergütungsansprüche gegen seinen Mandanten nicht geltend machen könne. Konsequenz der von dem Antragsgegner vertretenen Ansicht wäre, dass der Rechtsanwalt bei eine...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?