Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung von Prozesskostenhilfe. Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung. Entfernung eines medizinischen Gutachtens aus den Verwaltungsakten
Leitsatz (redaktionell)
1. Das hypothetische prozessuale Verhalten einer vermögenden Partei in derselben Situation ist der Maßstab dafür, ob die von der bedürftigen Partei beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig erscheint.
2. Selbst wenn die hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden könnte, ist eine Rechtsverfolgung mutwillig, bei der die aufzuwendenden Kosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum erstrebten Erfolg stehen. Maßgebend ist dabei das Verhältnis von Aufwand und Nutzen im Erfolgsfall.
Leitsatz (amtlich)
1. Prozesskostenhilfe ist wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung zu versagen, wenn ein nicht bedürftiger Beteiligter den Rechtsstreit nicht führen würde, weil er im Falle des Obsiegens fürchten müsste, rechtliche Nachteile zu erleiden, die - bei objektiver Betrachtung - die Vorteile weit überwiegen.
2. Zur Zulässigkeit der Entfernung bzw Berichtigung (von Teilen) eines medizinischen Gutachtens aus den Verwaltungsakten.
Normenkette
SGG § 73a; ZPO § 114
Verfahrensgang
SG Berlin (Beschluss vom 18.08.2003; Aktenzeichen S 46 SB 807/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. August 2003 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt im Hauptsacheverfahren die Berichtigung von Angaben, die in der speziellen Anamnese des von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie G… auf Veranlassung des Beklagten am 24. Juni 1994 erstatteten Gutachtens enthalten sind.
Der 1949 geborene Kläger war durch Bescheid vom 24. Januar 1989 wegen einer von der Lendenwirbelsäule ausgehenden Behinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 unter Zuerkennung des Merkzeichens “G…” als Schwerbehinderter anerkannt worden. Wegen degenerativer Veränderungen im Hals- und Brustwirbelsäulen-Bereich wurde der GdB durch Bescheid vom 16. September 1993 auf 60 erhöht. Nachdem der Kläger gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt hatte, wurde er zunächst von dem Arzt für Orthopädie Dr. V… untersucht und begutachtet, der in seinem Gutachten vom 12. November 1993 eine wesentliche Besserung des Leidenszustandes feststellte und die Bewertung der orthopädischen Leiden mit einem GdB von nur noch 40 empfahl. In einem weiteren auf Veranlassung des Beklagten erstatteten Gutachten vom 24. Juni 1994 kam die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie G… aufgrund der von ihr dargelegten speziellen Anamnese zu der Einschätzung, bei dem Kläger liege eine mit einem GdB von 40 zu bewertende psychische Behinderung vor, die die Bildung eines Gesamt-GdB von 60 rechtfertige. Nach einem weiteren Gutachten des Chirurgen Dr. L… vom 16. Februar 1995, der für den orthopädischen Leidenskomplex wieder einen GdB von 60 für angemessen hielt, erkannte der Beklagte unter Feststellung einer “psychischen Behinderung” als weitere Funktionsstörung einen GdB von 80 an (Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 1995). Im weiteren Verlauf wurde dem Kläger das zunächst durch Bescheid vom 11. Dezember 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 1996 versagte Merkzeichen “B…” durch Bescheid vom 8. Oktober 1998 zuerkannt. Ein weiterer Neufeststellungsantrag vom 31. Juli 2000 wurde durch Bescheid vom 13. August 2002 abgelehnt.
Erstmals mit Schreiben vom 12. Februar 2001 beanstandete der Kläger die Angaben zur Vorgeschichte der Gutachterin Frau G… in dem Gutachten vom 24. Juni 1994, er sei im Wesentlichen als Einzelkind aufgewachsen, seit 1990 komme es zu Herzbeklemmungen, vor allem bei Aufregung, aber auch plötzlich auf der Straße in Menschenmengen oder allein in der Wohnung und er werde deshalb von seiner Frau jetzt überhaupt nicht mehr allein in der Wohnung gelassen, als unrichtig. Ihm würden damit Krankheiten unterstellt, die nicht vorlägen. Wegen dieser Diskriminierung mache er Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung geltend. Der Beklagte holte hierzu eine Stellungnahme der Frau G… vom 21. März 2001 ein, die das Begehren des Klägers auf Vernichtung des Gutachtens oder sogar auf Gewährung einer Entschädigung wegen Diskriminierung als unbegründet bezeichnete.
Mit Schreiben vom 2. Mai 2001 beantragte der Kläger bei dem Sozialgericht Berlin (SG), den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die unrichtig geschilderten Behauptungen aus dem Gutachten vom 24. Juni 1994 zu berichtigen bzw. zu entfernen. Es treffe nicht zu, dass er als Einzelkind aufgewachsen sei, denn er habe einen Bruder. Er habe auch der Gutachterin gegenüber nicht angegeben, dass es seit 1990 zu Herzbeklemmungen komme und er nicht mehr allein in der Wohnung gelassen werden könne. Durch Beschluss vom 14. August 2001 wies das SG (S 46 SB 1215/01 ER) den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes als unbegründet zurück, da weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht sei.
Mit Schreiben vom 13. Novemb...