Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung gegen Honorarverteilungsmaßstab. Normenkontrolle. Vergütungszuschlag. Existenzgefährdung. Punktwertverfall. Überversorgung. Vertragsarzt. Träger des wirtschaftlichen Risikos
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gültigkeit einer Norm (hier: HVW) kann grundsätzlich nicht Gegenstand der Prüfung in einem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung sein.
2. Auch bei einer existenzgefährdeten Praxis läßt sich aus dem Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch ein (Anordnungs-)Anspruch des Vertragsarztes auf Stützungsmaßnahmen (Zuschläge zur ordnungsgemäß errechneten Vergütung) jedenfalls dann nicht herleiten, solange die Gründe für die Existenzgefährdung nicht geklärt sind.
3. Beruht der Punktwertverfall auf einer Überversorgung mit Vertragsärzten im Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung, hätte der einzelne Vertragsarzt das wirtschaftliche Risiko allein zu tragen (vgl BVerfG vom 23.3.1960 - 1 BvR 216/51 = BVerfGE 11, 30 39f).
Gründe
Der Antragsteller ist zugelassener Radiologe und Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung B., der Antragsgegnerin.
Im September 1996 hatte er bei der Antragsgegnerin beantragt, bei der Berechnung der vertragsärztlichen Vergütung vom I. Quartal 1995 an den Punktwert auf 9 DPf heraufzusetzen. Dies hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 9. Oktober 1996 abgelehnt und ausgeführt, mit bestandskräftigen Bescheiden habe der Antragsteller das Honorar erhalten, das ihm nach Maßgabe der Vergütungsvereinbarungen und des jeweiligen Honorarverteilungsmaßstabes - HVM - zugestanden habe. Das Honorar sei so bemessen gewesen, daß ein wirtschaftlicher Betrieb der Praxis durchaus möglich gewesen wäre. Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist.
Vom I. Quartal 1997 an hat die Antragsgegnerin den HVM dahin geändert, daß für radiologische Leistungen ein unterer Interventionspunktwert von 7 DPf eingeführt worden ist.
Am 19. Dezember 1996 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Berlin beantragt, durch einstweilige Anordnung der Antragsgegnerin aufzugeben, ihm 65.366,99 DM als Zuschlag zu den Vergütungen für das I. Quartal 1996 zu zahlen, hilfsweise, "eine andere zweckdienliche Regelung...hierzu zu treffen". Zur Begründung hat er unter Einreichung umfangreicher Schriftsätze, Dokumente und Berechnungen im wesentlichen geltend gemacht, selbst bei einem Punktwert von 7 DPf - im übrigen erst ab 1997 - hätten radiologische Praxen keinen Überschuß mehr; daher sei deren Stützung mit einem Mindestpunktwert von 9 DPf anstelle des von ihm errechneten, sich aus dem HVM ergebenden "Mischpunktwertes" von ca. 6,41 DPf geboten; er selbst sei konkret davon bedroht, seine Praxis unter lebenslang nicht mehr zu begleichenden Verbindlichkeiten schließen zu müssen.
Das Sozialgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 7. Januar 1997 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 7. Februar 1997 eingelegt Beschwerde des Antragstellers, der unter Vertiefung seines Vorbringens weiterhin die Zahlung des Zuschlages zu den Vergütungen für das Quartal I/96 geltend macht sowie - nachdem am 12. März 1997 ein Erörterungstermin stattgefunden hat - auf Seite 1 bis 3 seines Schriftsatzes vom 14. März 1997 seinen "Hilfsantrag konkretisiert".
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt verwiesen.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.
Die Vorschriften des SGG über den einstweiligen Rechtsschutz kommen dem Antragsteller nicht zugute. Über diese speziellen Regelungen hinaus kommt einstweiliger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977 (BVerfGE 46, 166 ff.) nur in Betracht, wenn ohne die begehrte gerichtliche Entscheidung "schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre". Liegen diese Voraussetzungen vor, sind nach der Rechtsprechung des Senats die Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zum einstweiligen Rechtsschutz entsprechend heranzuziehen und zwar in Verpflichtungsfällen - wie hier - eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des § 123 VwGO. Voraussetzung für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist danach neben einem Eilbedürfnis (Anordnungsgrund), daß der Klage in der Hauptsache eine gewisse Aussicht auf Erfolg beigemessen werden kann (Anordnungsanspruch). Die Voraussetzungen für Anordnungsgrund und -anspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozeßordnung).
Die eingereichten Unterlagen sprechen dafür, die wirtschaftliche Lage des Antragstellers als existenzbedrohend anzusehen. Selbst wenn man aber im Hinblick hierauf einen Anordnungsgrund als glaubhaft gemacht ansähe, trifft gleiches für einen Anordnungsanspruch nicht zu.
Der Antragsteller erstrebt eine Zuzahlung zu seiner vertragsärztlichen Vergütung. Hierfür ist eine Rechts...