Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches verfahren. Prozesskostenhilfe. Beiordnung eines Rechtsanwalts. voraussichtliche Anwaltskosten. Reisekosten. nicht ortsansässiger, aber im Gerichtsbezirk residierender Rechtsanwalt
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsanwalt, der seinen Sitz im Bezirk des Sozialgerichts hat, aber außerhalb der politischen Gemeinde, zu der das Sozialgericht gehört, ist im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beizuordnen; die Fahrtkosten sind in einem solchen Fall regelmäßig "erforderlich" iS von § 46 Abs 1 RVG.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 12. April 2006 aufgehoben. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit die Kosten der Prozessführung das in Höhe von 617,- Euro einzusetzende Vermögen übersteigen. Rechtsanwalt T S wird beigeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ist zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 SGG), hat aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO).
Der Kläger hat nur Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anrechnung seines Vermögens (§ 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Zum entscheidenden Zeitpunkt der Beantragung von Prozesskostenhilfe verfügte er über ein Vermögen von insgesamt 2.217,- Euro. Hiervon bleiben 1.600,- Euro unberücksichtigt (§ 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII und § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a der zur Durchführung dieser Bestimmung ergangenen Verordnung). Damit verbleiben 617,- Euro an einzusetzendem Vermögen. Dieser Betrag ist allerdings geringer als die voraussichtlichen Kosten der Prozessführung (vgl. § 115 Abs. 4 ZPO), so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich beansprucht werden darf. Als Anwaltsgebühren nach dem RVG werden nämlich voraussichtlich anfallen:
Verfahrensgebühr i.H.v. 250,- Euro,
Terminsgebühr i.H.v. 200,- Euro,
Post- und Telekommunikationspauschale i.H.v. 20,- Euro,
Fahrtkosten i.H.v. 57,- Euro,
Abwesenheitsgeld i.H.v. 20,- Euro,
zusammen: 547 Euro;
zuzüglich 19 Prozent Umsatzsteuer ergeben sich voraussichtliche Anwaltskosten in Höhe von 650,93 Euro.
Im Hinblick auf die zu erwartenden Fahrtkosten geht der Senat davon aus, dass ein Rechtsanwalt, der - wie hier - seinen Sitz im Bezirk des Sozialgerichts hat, aber außerhalb der politischen Gemeinde, zu der das Sozialgericht gehört, ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beizuordnen ist; die Fahrtkosten sind in einem solchen Fall regelmäßig “erforderlich„ im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG (ebenso Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. August 2005, L 2 B 36/05 AL).
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe war auf die Kosten der Prozessführung zu begrenzen, die das in Höhe von 617,- Euro einzusetzende Vermögen übersteigen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dass der Kläger noch zwei weitere Klageverfahren vor dem Sozialgericht Cottbus betreibt, in deren Rahmen er ebenfalls Prozesskostenhilfe beantragt hat (S 25 AS 624 und 662/06), ist unerheblich, denn diese Klagen wurden erst nach Stellung des hier zu beurteilenden Prozesskostenhilfeantrages erhoben. Bei der dort vorzunehmenden Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers wird gegebenenfalls zu berücksichtigen sein, welche Aufwendungen er im vorliegenden Verfahren hat und dass sein Vermögen hier bereits angerechnet worden ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Fundstellen