Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Wirkung der Zusicherung der Übernahme der Unterkunftskosten für die neue Wohnung
Orientierungssatz
1. Die Zusicherung des Grundsicherungsträgers für die Übernahme der Aufwendungen für die neue Unterkunft nach § 22 Abs. 4 SGB 2 entfaltet nicht für einen bestimmten Leistungszeitraum Bindungswirkung, sondern wirkt bei im Wesentlichen gleichbleibender Sach- und Rechtslage, insbesondere fortbestehender Hilfebedürftigkeit, auf unbestimmte Zeit. Damit ist das Interesse des Leistungsberechtigten an der Zusicherung nicht auf einen Zeitraum von höchstens einem Jahr beschränkt.
2. Hat der Hilfebedürftige den Mietvertrag für die neue Wohnung bereits abgeschlossen, so fehlt es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die geltend gemachte Erteilung der Zusicherung des Grundsicherungsträgers im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile ist für den Antragsteller nicht mehr erforderlich.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts vom 27. Mai 2014 in der Fassung des Beschlusses vom 12. Juni 2014 geändert und der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
Der Antragsgegner erstattet den Antragstellern die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss vom 27. Mai 2014, mit dem das Sozialgericht ihn im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, den Antragstellern die Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft für die Wohnung in der B. Straße in Berlin zu erteilen, ist zulässig.
Insbesondere ist sie nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen. Denn in der Hauptsache bedürfte die Berufung nicht der Zulassung, weil die Hauptsache - hier der Streit um die Zusicherung der Übernahme der laufenden Kosten der Unterkunft in bestimmter Höhe - laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Insoweit kommt es nicht maßgeblich darauf an, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zu denen die Kosten der Unterkunft gehören, gemäß § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II regelmäßig für sechs Monate bewilligt werden und gemäß Satz 4 der Vorschrift längstens für zwölf Monate bewilligt werden können. Denn die Zusicherung, bei der es sich um eine vorgreifliche Teilregelung zur Übernahme höherer angemessener Kosten der Unterkunft nach einem Umzug handelt (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 5/10 R - juris), entfaltet nicht für einen bestimmten Leistungszeitraum Bindungswirkung, sondern wirkt bei im Wesentlichen gleichbleibender Sach- und Rechtslage, insbesondere fortbestehender Hilfebedürftigkeit, auf unbestimmte Zeit. Dies entspricht dem Zweck der Zusicherung, dem Leistungsberechtigten Planungssicherheit zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 22. November 2011 - B 4 AS 219/10 R - juris). Da aber die Zusicherung als Entstehungsgrund (vgl. dazu Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 Rn 24, 24a m. w. N.) für den Anspruch auf laufende Leistungen für Kosten der Unterkunft bis zu einer bestimmten Höhe in zeitlicher Hinsicht über den Zeitraum eines Bewilligungsabschnitts hinauswirkt, kann das Interesse des Leistungsberechtigten an der Zusicherung auch nicht auf einen Zeitraum von höchstens einem Jahr beschränkt sein (a. A. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - L 6 AS 145/11 B PKH -, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Juni 2012 - L 5 AS 189/12 B ER - jeweils juris).
Die Beschwerde ist auch begründet. Denn wie die Antragstellerin zu 1. nunmehr erklärt hat, hat sie bereits den Mietvertrag für die Wohnung, für die sie die Zusicherung begehrt, mit Wirkung zum 1. August 2014 abgeschlossen. Damit ist aber das Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Rechtsschutzverfahren entfallen. Jedenfalls fehlt es nunmehr an einem Anordnungsgrund im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, weil der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragsteller nicht (mehr) erforderlich ist. Soweit die Höhe der von dem Antragsgegner zu übernehmenden Kosten der Unterkunft weiterhin streitig sein sollte, ist die Antragstellerin zu 1. darauf zu verweisen, gegebenenfalls gegen den Leistungsbescheid des Antragsgegners vorzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass bis zum Abschluss des Mietvertrages die Erfolgsaussichten der Antragsteller als offen zu beurteilen waren.
Der Beschluss erledigt den Antrag nach § 199 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar; § 177 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 7016864 |
NZS 2014, 716 |