Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende. Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht. mindestens fünfjähriger gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet. Fristbeginn mit erstmaliger Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Erforderlichkeit einer ununterbrochenen Meldung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine ununterbrochene fünfjährige Meldung im Bundesgebiet nach dem Bundesmeldegesetz (BMG) ist keine gesetzliche Voraussetzung einer Leistungsberechtigung nach § 7 Abs 1 S 4 und 5 SGB II.
2. Nach erstmaliger Anmeldung ist lediglich der Nachweis eines fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthalts erforderlich.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 2022 abgeändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 22. Juli 2022 bis 30. Juni 2023, längstens jedoch bis zur Bestandskraft eines Bescheides über den am 22. Juli 2022 gestellten Leistungsantrag, monatlich in Höhe von 80 Prozent des Regelbedarfs der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie zwei Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Antragsteller ist am 1972 geboren und p Staatsangehöriger. Er hält sich derzeit ohne festen Wohnsitz in Deutschland auf. Nach eigenen Angaben ist er 1999 erstmals eingereist. Der Antragsteller war wie folgt in Berlin gemeldet: Erste Meldeadresse in der W Str. in B F-K, Einzug zum 11. September 2009 (Abmeldung am 2. Dezember 2009); am 6. November 2012 Einzug in die S Str. in BL (Abmeldung am 4. Mai 2014); am 17. Februar 2021 meldete er sich in der W Str. in BL zum 4. Februar 2021 an.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 bestätigte der Bürgerhilfe e. V. Wohnungslosentagesstätte gegenüber der Caritas-Krankenwohnung für Wohnungslose, dass sie den Antragsteller seit Jahren als regelmäßigen Besucher der Einrichtung kennen würde. Die Pfarrerin der evangelischen Tr Kirchengemeinde erklärte mit Schreiben vom 14. Dezember 2020 gegenüber der Caritas-Krankenwohnung für Wohnungslose, dass es nach Erinnerungen eines schon lange in der Kirchengemeinde tätigen (namentlich bezeichneten) Mitarbeiters als gesichert gelten könne, dass der Antragsteller mindestens seit dem Winter 2013/2014 das von der Gemeinde im Winterhalbjahr betriebene Nachtcafé für Obdachlose regelmäßig aufgesucht habe.
Im Januar 2021 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er gab an, obdachlos zu sein und über kein Einkommen oder Vermögen zu verfügen. Mit Bescheid vom 1. März 2021 lehnte der Antragsgegner die Leistungsgewährung ab.
Mit Bescheinigungen vom 4., 10. und 25. Februar 2021, 4. und 15. März 2021 bestätigte die Soziale Wohnhilfe des Bezirksamtes L die Reservierung eines Einzelschlafplatzes zum Tagessatz von 24,25 € für die Zeit vom 4. Februar bis 23. März 2021 für den Antragsteller.
Im August 2021 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er gab an, aus Pfandflaschenerlösen und Spenden monatliche Einkünfte von durchschnittlich 35,00 Euro zu erzielen. Er fügte dem Antrag eine schriftliche Erklärung an, aus der sich ergab, dass er seinen Lebensunterhalt bestreite, indem er Unterstützungs-Angebote von sozialen Einrichtungen wie der Bürgerhilfe oder von Kirchen, z. B. von Suppenküchen, annehme. Daneben sammle er Pfandflaschen und erhalte von Menschen im Kiez Sach- oder Geldspenden.
Mit Bescheid 25. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2022 lehnte der Antragsgegner die Leistungsgewährung für die Zeit ab August 2021 erneut ab. Hiergegen ist eine Klage am Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 107 AS 442/22 anhängig. Am 22. Juli 2022 stellte der Antragsteller bei dem Antragsgegner erneut einen Leistungsantrag.
Ebenfalls am 22. Juli 2022 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er hat zunächst laufende Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts einschließlich Kranken- und Pflegeversicherung und Unterkunftskosten seit dem 13. September 2021 begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei ohne festen Wohnsitz und benötige Geld für Nahrungsmittel, Krankenkasse und Übernachtungsmöglichkeiten. Er übernachte zur Zeit auf der Straße und sei gehbehindert. Durch die Gehbehinderung seien auch seine Selbsthilfemöglichkeiten, z. B. durch Flaschensammeln, stark eingeschränkt.
Mit Beschluss vom 25. Juli 2022 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine rückwir...