Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorläufige Leistungsbewilligung. Erstattung erbrachter Leistungen nach abschließender Entscheidung. keine vierjährige Verjährung. 30-jährige Verjährungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Die 4-jährige Verjährungsfrist des § 50 Abs 4 SGB X findet auf einen mit bestandskräftigem Erstattungsbescheid gemäß § 328 Abs 3 SGB III festgesetzten Erstattungsanspruch keine Anwendung. Dieser verjährt gemäß § 52 SGB X in 30 Jahren.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. März 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vollziehung von Forderungen i.H.v. 824,44 € mit der Einrede der Verjährung.

Mit Erstattungsbescheiden vom 26. April 2010, 24. Juni 2010, 10. August 2010, 18. August 2010 und 14. September 2010 forderte der Antragsgegner vom Antragsteller jeweils unter Verweis auf die Vorschriften des § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) i.V.m. § 328 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) nach endgültiger Festsetzung von Leistungsansprüchen die Erstattung von aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen. Der Antragsteller räumt ein, dass diese Bescheide bestandskräftig sind.

Mit Vollstreckungsankündigung vom 7. März 2020 teilte das Hauptzollamt B dem Antragsteller mit, gegen ihn wegen Geldforderungen in Höhe von 824,44 € die Vollstreckung durchzuführen. Unter „Bezeichnung der Forderungen im Einzelnen“ führte er die vorgenannten Erstattungsbescheide sowie Mahngebühren in Höhe von 10,42 € auf. Der Antragsteller könne die für ihn mit zusätzlichen Kosten verbundene Vollstreckung vermeiden, wenn er innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt der Vollstreckungsankündigung den Gesamtbetrag einzahle. Werde der Betrag nicht oder nicht vollständig entrichtet, würden Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen. So würde das Hauptzollamt - ohne weitere Ankündigung - z.B. bei seinem Arbeitgeber den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens pfänden und einziehen, bei seiner Bank sein Konto pfänden und/oder ihm gehörende bewegliche Sachen durch seine Vollziehungsbeamten pfänden lassen.

Der Antragsteller begehrt mit seinem vorliegenden Antrag die vorläufige Einstellung der Vollziehung der vorgenannten Forderungen. Sein Antrag ging am 19. März 2020 zusammen mit der zeitgleich erhobenen, auf endgültige Einstellung der Vollziehung dieser Forderungen gerichteten Klage beim Sozialgericht Berlin (im Weiteren: SG) ein. Der Antragsteller vertritt die Ansicht, die streitigen Forderungen seien gemäß § 50 Abs. 4 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) verjährt. Die 30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 52 Abs. 2 SGB X greife erst bei Unanfechtbarkeit eines weiteren Verwaltungsaktes ein, mit dem die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs erfolge. Hieran fehle es jedoch vorliegend. Sofern es an einem Verwaltungsakt zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs fehle, habe die Verjährungsregelung des § 50 Abs. 4 S. 1 SGB X den Vorrang. Die Forderungen seien mit Ablauf der Jahre 2014 bzw. 2016 verjährt. Daher könne der Antragsgegner kein zu billigendes Interesse an einer Vollstreckung haben, weshalb auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu bejahen sei. Er könne nicht ausschließlich auf die langwierige Durchführung des Hauptsacheverfahrens verwiesen werden.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Der Antragsteller richte sich bereits gegen den falschen Antragsgegner. Passiv legitimiert sei allein die Bundesagentur für Arbeit (BA), Agentur für Arbeit R Inkassoservice, die nach § 44c Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 44b Abs. 4 SGB II mit der Wahrnehmung des Forderungseinzugs beauftragt sei. Er habe mit der Übertragung der Vollstreckung auch die Prüfung der Einrede der Verjährung auf die BA übertragen. Außerdem würden die Erstattungsbescheide Verwaltungsakte im Sinne von § 52 Abs. 1 S. 1 SGB X darstellen. Demnach würde die Verjährungsfrist vorliegend 30 Jahre betragen. Die Forderungen seien nicht verjährt. Zudem sei weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass schwere, irreparable Nachteile oder Grundrechtseingriffe abzuwenden seien. Der Antragsteller stehe nicht im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Seit dem 23. Juli 2018 stehe er in einem Beschäftigungsverhältnis. Auch habe er zuletzt am 19. März 2019 und 27. August 2019 eine Zahlungserinnerung vom Inkassoservice der BA erhalten und im Oktober 2019 beim Antragsgegner einen Termin zur Klärung des Sachverhaltes wahrgenommen. Angesichts dessen sei eine Eilbedürftigkeit keinesfalls ersichtlich. Es sei dem Antragsteller zuzumuten, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Der Antragsgegner übersandte unter anderem eine Mahnung der BA vom 29. März 2012, mit welcher gegen...

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