Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung des gerichtlich bestellten Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit
Orientierungssatz
1. Der Ablehnungsantrag gegen einen gerichtlich bestellten Sachverständigen ist spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen. War der Antragsteller unverschuldet verhindert, den Ablehnungsgrund innerhalb dieser Frist geltend zu machen, muss er ihn innerhalb einer den Umständen des Einzelfalles angepassten Überlegungsfrist stellen.
2. Hält der Antragsteller ihm bereits bekannte Ablehnungsgründe zurück und wartet er lediglich ab, ob eine für ihn günstigere prozessuale Situation eintritt, so scheitert sein Ablehnungsgesuch am Fehlen der unverschuldeten Verhinderung.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen
Gründe
I.
Der Kläger, der in der Hauptsache einen höheren Grad der Behinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G - erhebliche Gehbehinderung - begehrt, macht im vorliegenden Beschwerdeverfahren geltend, es bestehe ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit des vom Sozialgericht (SG) Berlin mit Beweisanordnung vom 22. September 2004 bestellten Sachverständigen T L.
Das SG hat nach Anhörung des Sachverständigen mit Beschluss vom 19. Januar 2006, auf den wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, ausgeführt, das Ablehnungsgesuch des Klägers sei im Hinblick auf § 406 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht rechtzeitig gestellt. Selbst wenn man dem zunächst unvertreten gewesenen Kläger eine Frist zwischen Kenntnis des behaupteten Ablehnungsgrundes (hier am 9. Dezember 2004) und dem Anbringen des Ablehnungsgesuchs von mehr als zwei Wochen einräumen wollte, so sei die Stellung des Gesuchs (frühestens mit Schreiben vom 1. Februar 2005) als verspätet anzusehen. Darüber hinaus sei das Gesuch auch unbegründet. Der Ablehnungsgrund sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Zwar habe der Kläger eine Zeugenaussage vorgelegt, die den behaupteten Inhalt des Telefongesprächs bestätige. Nach den Einlassungen des Sachverständigen habe aber gar kein Telefonat am 9. Dezember 2004 stattgefunden. Dies sei für das Gericht auch nachvollziehbar.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, die er persönlich am 17. Februar 2006 und durch seine Bevollmächtigte am 27. Februar 2004 eingelegt hat und der das SG nicht abgeholfen hat. Er hält daran fest, am 9. Dezember 2004 mit dem Sachverständigen telefoniert zu haben (und nicht wie dieser in seiner Stellungnahme ausgeführt hat, lediglich am 18. November 2004). Der Sachverständige habe sich dabei ihm gegenüber dahin geäußert, er habe die Akten des Klägers gelesen. Dieser habe ja nie wirklich in den letzten Jahren gearbeitet und jetzt wolle er auch noch eine Erhöhung des GdB und eine Gehbehinderung. Diese Äußerung habe ein Zeuge über den Lauthörmodus des Telefons mitgehört. Er, der Kläger, habe bereits im Dezember 2004 (den Tag könne er nicht mehr nennen, es sei aber vor Weihnachten gewesen) in der Geschäftsstelle des SG telefonisch mitgeteilt, dass er den Sachverständigen für befangen halte. Ein weiteres Gespräch gleichen Inhalts habe er Mitte Januar 2005 geführt; er sei ferner persönlich im SG erschienen, um in die Gutachterliste des Gerichts Einsicht nehmen zu können, aus der er einen anderen Sachverständigen habe auswählen und vorschlagen wollen. Die Mitarbeiterin habe dies notieren und dem Vorsitzenden zur Entscheidung vorlegen wollen. Er sei nicht- auch nicht im Schreiben vom 8. Februar 2005 - darauf hingewiesen worden, dass entsprechende Anträge schriftlich zu stellen gewesen wären.
Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten.
Dem Senat haben die Gerichtsakten des SG Berlin (S 33 SB 2547/01) und die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergänzend Bezug genommen wird.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Ablehnungsgesuch ist vom SG zutreffend als unzulässig angesehen worden.
Zwar besteht noch ein Bedürfnis an der Klärung über die Frage der behaupteten Befangenheit des Sachverständigen, auch wenn die Beweisanordnung vom 22. September 2004 mittlerweile aufgehoben worden ist und die Begutachtung durch den abgelehnten Sachverständigen damit nicht mehr in Rede steht. Denn das SG hat angekündigt, ein weiteres Sachverständigengutachten nicht mehr einholen zu wollen, da die Begutachtung durch den Sachverständigen L aus Gründen, die der Kläger zu vertreten habe, nicht habe stattfinden können. Für den Fall, dass das Ablehnungsgesuch begründet ist, muss das SG allerdings (und zwar - entgegen dem Wortlaut von § 412 Abs. 2 ZPO - ohne dass insoweit Ermessen bestünde) einen anderen Sachverständigen gemäß § 404 ZPO benennen, da es die Beweisfragen offenbar noch für erheblich hält (Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 25. Auflage § 406 RdNr. 15 und § 412 RdNr. 4).
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen ist ...