Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. unangemessene Unterkunftskosten. Kostensenkungsaufforderung. Unterbrechung des Leistungsbezugs. kein erneuter Übergangszeitraum für die Kostensenkung
Leitsatz (amtlich)
Sind einem Hilfeempfänger die maßgebenden Umstände unangemessen hoher Kosten für Unterkunft und Heizung aus einem früheren Leistungsbezug bekannt, führt selbst eine Zeit ohne Leistungsbezug von mehr als einem Jahr nicht automatisch nach § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 zur zeitweisen Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Der Anspruch ist jedenfalls dann nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 auf die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt, wenn eine früher erteilte Kostensenkungsaufforderung in ihrer Warnfunktion insoweit noch fortwirkt, als die Hilfebedürftigkeit auch in der Zeit ohne Leistungsbezug nicht überwunden war und damit durchgehend Anlass zu einer Kostensenkung bestand (Abgrenzung zu LSG Celle-Bremen vom 18.5.2009 - L 9 AS 529/09 B ER - juris.de).
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller ≪ASt≫ begehrt im Beschwerdeverfahren, ihm vorläufig weitere Leistungen für Unterkunft ≪KdU≫ und Heizung bis zur Höhe seiner tatsächlichen Aufwendungen von 654,81 € monatlich zu zahlen. Umstritten ist insbesondere, ob der Antragsgegner ≪AG≫ nach einem zwischenzeitlichen Ausscheiden des ASt aus dem Leistungsbezug sich auf eine im Januar 2008 ausgesprochene Kostensenkungsaufforderung berufen kann.
Der 1956 geborene ASt bewohnt seit November 1992 eine 3-Zimmer und 101,32 qm große Wohnung in B-S (Mietvertrag vom 08. Oktober 1992). Monatlich fallen hierfür seit dem 01. Juni 2009 eine Brutto-Kaltmiete von 571,81 € (Mieterhöhung vom 26. Februar 2009) und Abschlagskosten von 83,- € für Gas (Mitteilung B Gaswerke Aktiengesellschaft ≪GASAG≫ vom 20.11.2009), mithin 654,81 €, an. Der ASt ist als selbständiger Autor und Regisseur tätig und stand bereits im Januar 2008 im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫. Mit Schreiben vom 08. Januar 2008 forderte ihn der AG auf, die KdU und Heizung (damals 540,51 € Kaltmiete zzgl 48,62 € Nebenkosten) auf mindestens 360,- € monatlich innerhalb der nächsten sechs Monate zu senken und nahm mit bestandskräftigen Bescheid vom 25. März 2008 zum 01. August 2008 eine Neuberechnung der Leistungen unter Berücksichtigung der KdU und Heizung auf 360,- € monatlich vor.
Nach Ende des Leistungsbezugs zum 30. September 2009 beantragte der ASt erst am 04. Januar 2010 erneut, ihm wieder Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen. Dabei gab er aus seiner selbständigen Tätigkeit ein monatliches negatives Einkommen von 100,- € an, während er in 2009 noch Bruttoeinkünfte von zusammen 16.871,- € (zzgl Umsatzsteuer) erzielt habe. Von diesen Einkünften habe er allein 5.000,- € an das Finanzamt überwiesen (Bescheid Finanzamt S vom 19. März 2009 für 2007 über eine Steuerfestsetzung von 6.840,- € Einkommenssteuer zzgl 324, 99 € Solidaritätszuschlag) und zur Deckung laufender Kosten habe er “… etliche Rechnungen auflaufen lassen und ... (sich) ... privat bei Freunden verschuldet …„.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2010 bewilligte der AG dem ASt für die Zeit vom 04. Januar bis zum 30. Juni 2010 vorläufig Leistungen nach dem SGB II von monatlich 737,- € (Regelleistung 359,- € zzgl KdU und Heizung 378,- €). Auf den Widerspruch vom 02. Februar 2010 nahm der AG mit Bescheid vom 10. Februar 2010 eine Neuberechnung der Leistungen vor (Regelleistung 359,- € zzgl KdU und Heizung 415,18 €), da gemäß Nr 3.2.1 der “Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII„ ≪AV-Wohnen≫ des Landes Berlin die Richtwerte bei bestehenden Wohnraum in besonders begründeten Einzelfällen in der Regel um bis zu 10 % überschritten werden können, insbesondere bei längerer Wohndauer (mindestens 15 Jahre).
Zuvor hatte der ASt am 08. Februar 2010 vor dem Sozialgericht B ≪SG≫ die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, da er Gefahr laufe, aufgrund des zwischenzeitlich bereits aufgelaufenen Mietrückstands von 571,81 € (Schriftsatz vom 12. Februar 2010) seine Wohnung zu verlieren. Ein neuer Bedarf von “ALG II„ sei für ihn nicht absehbar gewesen, und er habe keinen Grund gehabt, nach mehr als 17 Jahren in der Zeit seines Nichtleistungsbezuges vom 01. Oktober 2008 bis zum 31. Dezember 2009 umzuziehen.
Mit Beschluss vom 18. Februar 2010 hat das SG den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die vorübergehende Unterbrechung des Leistungsbezuges führe nicht zu einer Verpflichtung des AG zu einer Übernahme unangemessen hoher KdU und Heizung. Dem ASt treffe eine Kostensenkungsobliegenheit, denn seit dem 08. Januar 2008 habe er Kenntnis davon gehabt, dass seine Mietaufwendungen unangemessen hoch seien. Nach Auffassung des ...