Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Pflegeversicherung: Veröffentlichung eines Transparenzberichts bezüglich einer Pflegeeinrichtung. Unterlassungsanspruch. Eilverfahren

 

Orientierungssatz

1. Die Veröffentlichung eines fehlerhaft erstellten Transparenzberichts nach § 115 SGB 11 bezüglich einer Pflegeeinrichtung stellt einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufausübungsfreiheit dar und vermittelt dem Betroffenen einen Abwehranspruch. Die Fehlerhaftigkeit kann sich dabei auch aus einer unzureichend ermittelten Tatsachengrundlage als Basis einer Bewertung ergeben (hier: Verwendung nicht valider Daten als Basis für eine Benotung). Auf die Intensität des Fehlers kommt es insoweit nicht an, so dass auch Verstöße, die nicht als schwerwiegend zu qualifizieren sind, Abwehrrechte begründen (entgegen: Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2010, L 8 P 29/10 B ER).

2. Einzelfall zur Bewertung der Rechtmäßigkeit eines Transparenzberichts nach § 115 SGB 11.

 

Tenor

Auf den im Verfahren vor dem Landessozialgericht gestellten Antrag der Antragstellerin werden die Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Veröffentlichung der Ergebnisse der die stationäre Pflegeeinrichtung „“ betreffenden Qualitätsprüfung vom 24. Januar 2012 im Internet, insbesondere unter www.aok-pflegeheimnavigator.de sowie www.pflegelotse.de, unverzüglich zu beseitigen.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. April 2012 geändert.

Den Antragsgegnern wird vorläufig untersagt, die Ergebnisse der die stationäre Pflegeeinrichtung „“ betreffenden Qualitätsprüfung vom 24. Januar 2012 bis zum Ablauf des 31. Januar 2013, längstens jedoch bis zum Abschluss eines noch anhängig zu machenden Hauptsacheverfahrens, weiter zu veröffentlichen.

Im Übrigen werden die Beschwerde und der weiter gehende Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Landessozialgericht haben die Antragstellerin zu einem Zehntel und die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu neun Zehnteln zu tragen. Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für das Verfahren vor dem Landessozialgericht auf 10.000,00 Euro festgesetzt. Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über die Veröffentlichung eines Transparenzberichtes nach § 115 Absatz 1 a Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).

Die Antragstellerin ist Trägerin der stationären Pflegeeinrichtung „“, für das die zuständige Heimaufsichtsbehörde mit Bescheid vom 13. Juli 2011 einen Aufnahmestopp anordnete. Im Januar 2012 lebten in der Einrichtung, die über 139 Pflegeheimplätze verfügt, 109 Bewohner, davon 19 rüstige Personen, 50 Personen, für die die Pflegestufe I, 31 Personen, für die die Pflegestufe II und 9 Personen, für die die Pflegestufe III bestand. Mit Bescheid vom 10. Mai 2012 hob die zuständige Heimaufsichtsbehörde den angeordneten Aufnahmestopp für rüstige Bewohner sowie für solche der Pflegestufe 0 und I mit sofortiger Wirkung wieder auf.

Bereits am 18. August 2011 hatte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine Qualitätsprüfung bei der Antragstellerin durchgeführt. Den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Verhinderung der Veröffentlichung des darauf gestützten Transparenzberichtes hatte das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 mit der Begründung abgelehnt, angesichts des heimaufsichtsrechtlichen Aufnahmestopps bestünde kein eiliges Regelungsbedürfnis. Die dagegen von der Antragstellerin einlegte Beschwerde hatte der Senat durch Beschluss vom 27. März 2012 (L 27 P 10/12 B ER) unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen und ergänzend dargelegt, dass ein Eilbedürfnis auch deshalb fehle, weil die Antragsgegner erklärt hätten, den auf der Prüfung vom 18. August 2011 beruhenden Transparenzbericht zunächst nicht zu veröffentlichen. Der Transparenzbericht über die Prüfung vom 18. August 2011 wurde später jedoch im Internet veröffentlicht. Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 forderte die Antragstellerin die Antragsgegner auf, diesen Transparenzbericht aus dem Internet zu entfernen und zu erklären, dass eine erneute Veröffentlichung endgültig unterbleiben werde.

Der MDK führte bei der Antragstellerin am 24. Januar 2012 im Rahmen einer Wiederholungsprüfung erneut eine Qualitätsprüfung durch. Es wurden dabei die Leistungen für elf Pflegekunden überprüft (sechs Personen mit Pflegestufe I, vier Personen mit Pflegestufe II und eine Person mit Pflegestufe III). Am 13. Februar 2012 wurde der Antragstellerin im Auftrag der Antragsgegner der auf Grundlage des Prüfberichts des MDK vom 6. Februar 2012 erstellte Transparenzbericht im Entwurf übermittelt und mitgeteilt, dass der Transparenzbericht spätestens 28 Tage nach dem ersten Entwurf veröffentlicht we...

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