Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenpflicht des Unternehmers in Beitragsstreitigkeiten

 

Orientierungssatz

1. Wird ein Versicherter als Unternehmer zur Beitragszahlung herangezogen, so genießt er im sozialgerichtlichen Verfahren nicht die kostenrechtliche Privilegierung des § 183 S 1 SGG. Als ausschließlich in seiner Unternehmereigenschaft am Verfahren Beteiligter ist er nach § 197a SGG kostenpflichtig.

2. Durch den Beitragsbescheid der Berufsgenossenschaft wird allein die Unternehmereigenschaft des Betroffenen geregelt, nicht jedoch dessen Status als Versicherter. Deshalb ist seine Kostenfreiheit nach § 183 SGG ausgeschlossen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 28. November 2006 aufgehoben.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert wird auf 169, 90 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgemäß eingelegte Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere nach § 172 SGG statthaft.

Der Statthaftigkeit der Beschwerde steht die gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Hs SGG entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 158 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht entgegen. Nach dieser Norm ist, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist, eine Entscheidung (des erstinstanzlichen Gerichts) über die Kosten unanfechtbar. § 158 Abs. 2 VwGO kann jedoch nur für Kostenentscheidungen der Sozialgerichte gelten, die gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Hs SGG in entsprechender Anwendung der §§ 154 bis 162 SGG ergangen sind. Ist das Sozialgericht hingegen - wie in dem vorliegenden Fall - davon ausgegangen, dass § 197a SGG keine Anwendung findet, und hat es seine Kostenentscheidung mithin nicht auf eine der Bestimmungen der §§ 154 bis 162 VwGO gestützt, sondern unter Zugrundelegung des § 193 SGG getroffen, ist die Beschwerde nicht gemäß 158 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen.

Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts vom 28. November 2006 beinhaltet keine Kostenentscheidung im Sinne des § 158 Abs. 2 VwGO. Vielmehr hat das Sozialgericht den Anträgen der Beklagten, eine Kostengrundentscheidung nach § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO zu treffen sowie den Streitwert festzusetzen, ausdrücklich nicht entsprochen und hat seine Kostenentscheidung nach den Grundsätzen des § 193 SGG getroffen, weil ein Fall des § 197a SGG nicht vorliege.

Die Beschwerde der Beklagten ist auch begründet.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts findet nicht § 193 SGG Anwendung, sondern ist die Kostengrundentscheidung gemäß § 197a SGG zu treffen.

Nach Abs. 1 Satz 1 1. Hs dieser Rechtsnorm werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit kostenfrei für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die kostenprivilegierten Personen müssen in der jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte am Verfahren teilnehmen, d.h. sie müssen Rechte oder Ansprüche geltend machen, die aus ihrer Eigenschaft als Versicherte, Leistungsempfänger usw. resultieren. Streitgegenstand des Verfahrens muss ein Anspruch sein, der Bezug zu der jeweiligen Eigenschaft im Sinne des § 183 Satz 1 SGG hat. Nimmt eine in dieser Vorschrift genannte Person in einer anderen Eigenschaft (z.B. als Unternehmer) am Verfahren teil, unterliegt sie nicht der Gerichtskostenfreiheit.

Nicht in ihrer Eigenschaft als Versicherte oder Leistungsempfänger am Verfahren beteiligt sind Personen, die sich als Adressaten von Zuständigkeitsbescheiden einer Berufsgenossenschaft gegen diese zur Wehr setzen oder Beitragsbescheide anfechten, durch die sie in ihrer Eigenschaft als Unternehmer zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung verpflichtet werden. Das Bundessozialgericht hat in dem Beschluss vom 22. September 2004 (B 11 AL 33/03 R) bei der Entscheidung über die kostenrechtliche Privilegierung eines Arbeitgebers danach differenziert, in welcher Eigenschaft er klagt. Es hat ausgeführt, dass ein Arbeitgeber, der eine Leistung (Eingliederungszuschuss) beanspruche, zu dem nach § 183 Satz 1 SGG privilegierten Personenkreis gehöre, während ein Arbeitgeber, der auf Erstattung oder Ersatz von Beiträgen in Anspruch genommen werde, die Voraussetzungen einer Privilegierung nach § 183 Satz 1 SGG nicht erfüllen dürfte.

Entsprechendes gilt im vorliegenden Fall für die Klägerin als (Mit) Eigentümerin eines von der beklagten landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft als land- bzw. forstwirtschaftliches Unternehmen bewerteten Grundstücks, für welches sie nach Erlass des Zuständigkeitsbescheides vom 21. Oktober 2004 als Unternehmerin zur Beitragszahlung herangezogen wird. Zwar besitzt die Klägerin...

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