Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Pflegeversicherung. Einstellung von Leistungen aus der Pflegeversicherung wegen Veränderung der Verhältnisse. Beweislast
Orientierungssatz
In einem Verfahren, mit dem dauerhaft bewilligte Leistungen wegen veränderter tatsächlicher Umstände auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 SGB X herabgesetzt werden, trifft die Behörde die materielle Beweislast für das Vorliegen der geltend gemachten Umstände.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 1. Dezember 2010 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2010 angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen Kosten für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in beiden Instanzen zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe gegen die Einstellung von Leistungen aus der Pflegeversicherung.
Auf den Antrag des Antragstellers gewährte ihm die Antragsgegnerin, gestützt auf das Gutachten der Pflegefachkraft S vom 17. Dezember 2001, die im Bereich der Grundpflege einen Hilfebedarf von 65 Minuten ermittelt hatte, mit Bescheid vom 15. Januar 2002 Leistungen der Pflegestufe I ab 1. September 2001. Den Höherstufungsantrag lehnte sie auf der Grundlage des Gutachtens des Allgemeinmediziners Dr. H vom 29. September 2004, der einen Zeitaufwand von 48 Minuten für die Grundpflege für erforderlich gehalten hatte, mit Bescheid vom 24. November 2004 ab.
Nachdem die Pflegefachkraft O im Gutachten vom 19. Januar 2010 nach Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis gekommen war, dass dessen Hilfebedarf in der Grundpflege 0 Minuten betrage, hob die Antragsgegnerin den Bewilligungsbescheid vom 15. Januar 2002 durch Bescheid vom 26. März 2010 auf. Den Widerspruch des Antragstellers wies sie nach Einholung des Gutachtens der Pflegefachkraft S vom 20. Mai 2010, die einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 38 Minuten für notwendig erachtet hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2010 zurück.
Den Antrag des Klägers auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Sozialgericht Potsdam mit Beschluss vom 1. Dezember 2010 zurückgewiesen.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam ist zulässig und begründet.
Gem. § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage - wie vorliegend nach § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG - keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Voraussetzung hierfür ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Zu dieser Abwägung ist der in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG enthaltene Maßstab für eine Aussetzung der Vollziehung durch die Verwaltung entsprechend heranzuziehen. Danach soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Das ist der Fall, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Oktober 2010, L 27 P 48/10 B ER, bei Juris).
Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung bestehen in dem genannten Sinne ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, mit denen die Antragsgegnerin die dem Antragsteller ursprünglich bewilligten Leistungen der Pflegestufe I aufhob. Grundlage hierfür ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Soweit die Antragsgegnerin sich unter Bezugnahme auf die Gutachten der Pflegefachkräfte O und S vom 19. Januar 2010 bzw. vom 20. Mai 2010, die einen die Zuerkennung der Pflegestufe I rechtfertigenden Hilfebedarf des Klägers von über 45 Minuten verneinen, auf eine solche Änderung der Verhältnisse beruft, begegnet dies Bedenken. Beide Gutachten sind nicht überzeugend. Zum einen unterscheiden sie sich im Ergebnis erheblich. Die Pflegefachkraft O ermittelte einen Zeitaufwand in der Grundpflege von 0 Minuten; die Pflegefachkraft S einen solchen von 38 Minuten. Zudem wird aus keinem der Gutachten deutlich, aus welchen Gründen die Pflegebedürftigkeit des Antragstellers sich verringert haben sollte. In ihrem ersten Gutachten vom 17. Dezember 2001 hielt es die Pflegefachkraft S noch für wahrscheinlich, dass der Hilfebedarf sich nicht mehr verringern werde. Der Allgemeinmediziner Dr. H hat in seinem Gutachten vom 29. September 2004 darüber hinaus dargelegt, dass aufgrund des Alters und der bestehenden Diagnosen längerfristig mit einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes und einer Zunahme d...