Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht zur Gewährung von Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
Prozesskostenhilfe ist bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen zu gewähren, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund eines geklärten Sachverhalts für zutreffend oder zumindest vertretbar und klärungsbedürftig hält. Schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen im PKH-Verfahren nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von PKH auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden können, vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. November 2007 - 1 BvR 68/07.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juni 2012 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Klageverfahren erster Instanz mit Wirkung ab 22. Juli 2013 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts gewährt. Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu leisten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat zu Unrecht gemäß §§ 73 a SGG, 114 Zivilprozessordnung (ZPO) die hinreichende Erfolgsaussicht des Prozesskostenhilfegesuchs des Klägers verneint.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebietet in Verbindung mit dem u. a. in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaatsprinzip und dem aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes eine weitergehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe eben dieses Nebenverfahren an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 28. November 2007, 1 BvR 68/07). Deshalb dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Hauptsacheverfahren zugeführt werden können (Bundesverfassungsgericht, a.a.O., und Kammerbeschluss vom 4. Juli 1993, 1 BvR 1523/92). Demnach ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund eines geklärten Sachverhalts für zutreffend oder für zumindest vertretbar und klärungsbedürftig hält.
Nach diesen Maßstäben war zum hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der erstmaligen Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags am 22. Juli 2013 (vollständige Einreichung der Unterlagen zu der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) die hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu verneinen, da der Sachverhalt nicht aufgeklärt ist. Das im Verwaltungsverfahren eingeholte MDK-Gutachten vom 6. Oktober 2011 ist allein nicht geeignet, eine gerichtliche Entscheidung zu tragen. Denn es erscheint auch unter Berücksichtigung der - nicht näher begründeten - Einschätzung des MDK-Gutachters nicht ausgeschlossen, dass sich seit Erstellung des Gutachtens die Pflegebedürftigkeit des Klägers maßgeblich geändert hat. Zudem ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Pflegetagebuch des Klägers für den zweiwöchigen Zeitraum vom 21. November bis zum 4. Dezember 2011 eine ungewöhnlich hohe Anzahl von insgesamt sieben Besuchen bei Ärzten und nicht näher bezeichneten “Therapie„-Einrichtungen. Da gutachterliche Äußerungen über die evtl. Berücksichtigungsfähigkeit des zeitlichen Aufwands einer Begleitperson im Rahmen des Hilfebedarfs bei der Mobilität fehlen, besteht auch insoweit weiterer Ermittlungsbedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Fundstellen