Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweilige Anordnung. Institut der materiellen Rechtskraft. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gem § 67 SGB 12. Versagung von Leistungen nach SGB 2 unterbliebener Mitwirkung. Grenzen der Mitwirkung. wichtiger Grund
Orientierungssatz
1. Unter einem wichtigen Grund iS des § 65 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 1 sind die die Willensbildung bestimmenden Umstände zu verstehen, die die Weigerung bzw die Nichterfüllung der Mitwirkungshandlung entschuldigen und sie als unberechtigt erscheinen lassen. Dabei sind auch Umstände seelischer, familiärer und sozialer Art zu berücksichtigen.
2. Eine mit dem zuständigen Sozialhilfeträger und dem Diakonischen Werk abgestimmte Vorgehensweise ist geboten, wenn ein Leistungsempfänger Leistungen nach § 67 SGB 12 zur Beratung und Unterstützung durch das Diakonische Werk erhält, weil er seine sozialen Schwierigkeiten nicht aus eigener Kraft meistern kann, sich gegen eine Vielzahl von Bescheiden nicht oder nur unzureichend wehrt und zudem ein Hausverbot bei der zuständigen Behörde gegen ihn ausgesprochen wurde.
3. Auch im Anordnungsverfahren ist durch das Institut der materiellen Rechtskraft einem fortgesetzten Streit unter den Beteiligten über denselben Streitgegenstand entgegenzuwirken, die Belastung der Gerichte zu vermeiden sowie die Gefahr widersprechender Entscheidungen zu begegnen (vgl LSG Essen vom 23.7.2007 - L 19 B 86/07 AS).
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. September 2008 abgeändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. September 2008 wird angeordnet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Hälfte der Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. September 2008 ist gemäß § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) zulässig und teilweise begründet. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen. Das einstweilige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers, mit dem er “für August 2008 (und September 2008) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 351,00 Euro„ begehrt und mit dem er sich gegen “widerrechtliche Kürzungen aus vergangenen Monaten„ wendet, hat nur teilweise Erfolg.
Dieses einstweilige Rechtsschutzgesuch ist nach § 86b Abs. 1 SGG zu beurteilen. Denn mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 5. Mai 2008, der mit dem ebenfalls unter dem 5. Mai 2008 ergangenen Sanktionsbescheid eine Einheit bildet, ist ihm Arbeitslosengeld II für den Bewilligungszeitraum vom 1. Mai 2008 bis zum 31. August 2008 in gesetzlicher Höhe gewährt worden, monatlich jeweils abgesenkt um 35,00 Euro für Mai 2008 und um 69,00 Euro für die Monate Juni bis August 2008 aufgrund der verfügten Sanktion. Dieser Bescheid ist nach Aktenlage bestandskräftig geworden, so dass der Kläger insoweit bereits keine Leistungen in ungekürzter Höhe beanspruchen kann.
Mit dem Bescheid vom 5. Mai 2005 hat der Antragsgegner jedenfalls aber einen Rechtsgrund geschaffen, aus dem der Antragsteller für die jeweiligen Monate zunächst die Auszahlung der ihm bewilligten Leistungen verlangen kann. Mit Bescheid vom 25. Juli 2008 hat der Antragsgegner dem Antragsteller diese Leistungsbewilligung vom 1. August 2008 an sinngemäß wegen fehlender Mitwirkung entzogen (“…die o. g. Leistungen werden ab dem 1. August 2008 ganz versagt.„). Ein Fall der Versagung ist hier aufgrund des vorgenannten Bewilligungsbescheides und der tatsächlichen Leistungsgewährung indes nicht gegeben. Denn nur eine noch nicht gewährte Leistung kann versagt werden. In der Sache hat der Antragsgegner deshalb eine Entziehung der bereits bewilligten Leistungen verfügt. Der gegen diesen Entziehungsbescheid vom Antragsteller erhobene Widerspruch ist nach Aktenlage von dem Antragsgegner noch nicht beschieden worden. Da dieser Widerspruch nach § 39 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 39 RdNr. 16b, m. w. Nachw.). richtet sich der einstweilige Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.
Hiernach kann das Gericht auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ob die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anzuordnen ist oder nicht, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage einer Abwägung, bei der das private Interesse des Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen ist. Um eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen, ist zumindest erforderlich, dass bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen.
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