Entscheidungsstichwort (Thema)

MVZ. Honorarfestsetzung. Individualbudget. sofortige Vollziehung. Eilverfahren. Antragsart. Interessenabwägung. Abgrenzung zwischen den Anträgen nach den §§ 86b Abs 1 und 2 SGG. Vertragsarzt. Festlegung des Individualbudgets stellt Honorarfestsetzung dar. Widerspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Bei der Abgrenzung zwischen dem Antrag auf Anordnung, Wiederherstellung oder Feststellung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 SGG und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG ist auch entscheidend, ob der Antragsteller bei Eintritt der aufschiebenden Wirkung überhaupt eine vorteilhafte Rechtsposition zurückverlangt.

2.) Ein Bescheid über die Kürzung des Individualbudget ist von der in § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 85 As. 4 Satz 9 SGB V enthaltenen Regelung erfasst, wonach "Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung" keine aufschiebende Wirkung entfalten. Nicht nur der Honorarbescheid selbst, sondern auch die Festlegung eines Individualbudgets ist nämlich "Honorarfestsetzung" in diesem Sinne.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. November 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 250.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Trägerin u. a. des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) PF sowie des MVZ P G und begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die von der Antragsgegnerin verfügte Festsetzung der Individualbudgets für diese Einrichtungen.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2006 hatte die Antragsgegnerin das Individualbudget für die Zeit ab 1. April 2006 jeweils wie folgt festgesetzt:

MVZ P F:

Primärkassen 6.697.858 Punkte,

Ersatzkassen 6.226.676 Punkte;

MVZ P G:   

Primärkassen 1.119.801 Punkte,

Ersatzkassen 936.153 Punkte.

Der Honorarabrechnung für das zweite Quartal 2007 legte die Antragsgegnerin folgende arztbezogene Individualbudgets (einschließlich der Individualbudgets der seit 1. Januar 2007 eingebrachten Arztsitze) zugrunde:

MVZ PF:

Primärkassen 9.556.899 Punkte,

Ersatzkassen 9.257.001 Punkte;

MVZ P G:   

Primärkassen 1.166.789 Punkte,

Ersatzkassen 1.017.119 Punkte.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2007 erklärte die Antragsgegnerin, die Individualbudgets für beide Einrichtungen seien für die Zeit ab 1. Juli 2007 zu kürzen. Nach dem ab 1. Juli 2007 gültigen Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab könne ein Individualbudget ganz oder teilweise aufgehoben werden, wenn die Praxis nicht mehr in dem der Bemessung zugrunde liegenden Umfang an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme. Bei einer Überprüfung sei festgestellt worden, dass die arztbezogene Fallzahlentwicklung der Individualbudgets bei der Betrachtung des der Bemessung zugrunde liegenden Umfangs gegenüber dem Jahr 2006 um 50,41 Prozent beim MVZ P F und um 29,78 Prozent beim MVZ P G rückläufig sei. Eine Anpassung des Gesamtindividualbudgets erfolge auf der Grundlage dieses prozentualen Anteils; das endgültige Individualbudget sei den Honorarbescheiden für das Quartal III/2007 zu entnehmen.

Auf den hiergegen von der Antragstellerin erhobenen Widerspruch setzte die Antragsgegnerin zunächst die Vollziehung aus.

Mit Bescheid vom 2. August 2007 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie ihre Entscheidung vom 29. Juni 2007 ändere. Sie verfügte nun, das mit Bescheid vom 27. Juli 2006 festgesetzte Individualbudget zuzüglich der Individualbudgets der seit 1. Januar 2007 eingebrachten Arztsitze für das MVZ P F im Primärkassenbereich um 6,3 Prozent und im Ersatzkassenbereich um 2,1 Prozent sowie für das MVZ P G im Primärkassenbereich um 25,3 Prozent und im Ersatzkassenbereich um 8,8 Prozent zu “kürzen„, so dass sich ab dem dritten Quartal 2007 folgende Individualbudgets ergäben:

MVZ P F:

Primärkassen 7.869.351,6 Punkte,

Ersatzkassen 7.641.950,8 Punkte;

MVZ P G:   

Primärkassen 921.048,6 Punkte,

Ersatzkassen 791.749,8 Punkte.

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, die Anpassung des Individualbudgets erfolge über einen Fallzahlenvergleich für die Jahre 2002 und 2006. Aus einer nach Arztgruppen unterteilten Berechnung ergebe sich die o.g. jeweilige Summe des Individualbudgets. Wegen der Einzelheiten des 24 Seiten umfassenden Bescheides vom 2. August 2007 und der Berechnungsschritte im Einzelnen wird auf Bl. 40 bis 62 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2007 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, die Aussetzung der Vollziehung aufzuheben.

Bereits am 1. Oktober 2007 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin um Gewährung von Eilrechtsschutz nachgesucht. Sie meint, dass ihr Widerspruch gegen die Kürzung des Individualbudgets schon von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung entfalte, was festzustellen sei; § 85 Abs. 4 Satz 9 SGB V erstrecke sich nicht auf die Kürzung eines Individualbudgets. H...

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