Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Grundleistung. Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG. Nichtanwendbarkeit wegen Verfassungswidrigkeit der Höhe der Grundleistung
Orientierungssatz
Das BVerfG hat durch Urteil vom 12.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 entschieden, dass die Höhe der Geldleistungen nach § 3 AsylbLG evident unzureichend ist und für die Zeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung eine Übergangsregelung angeordnet. Als Folge dieser Entscheidung kommt eine Absenkung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auf der Grundlage des § 1a AsylbLG jedenfalls für die Zeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung nicht in Betracht.
Normenkette
AsylbLG § 1 Abs. 1, § 1a Nr. 2, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 2 Sätze 1-2; RBEG § 5 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 2, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 172 Abs. 3 Nr. 1; GG Art. 1 Abs. 1 Sätze 1-2, Art. 20 Abs. 1
Tenor
Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2012 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt S L, B, beigeordnet.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Dezember 2012 geändert. Der Antragsgegner wird - unter Anrechnung bereits ausgezahlter Beträge - verpflichtet, dem Antragsteller Grundleistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) für die Zeit vom 1. November bis zum 31. Dezember 2012 in Höhe von monatlich 315,-- Euro und für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 2013 in Höhe von 322,-- Euro zu gewähren.
Der Antragsgegner ist berechtigt, ab Februar 2013 bis zum Ende des Verpflichtungszeitraums die Grundleistungen für regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgaben der Abteilungen 1 (Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke), 3 (Bekleidung und Schuhe) und 6 (Gesundheitspflege) im Sinne des § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch im Wert von 185,-- Euro als Sachleistungen (einschließlich Wertgutscheinen) zu erbringen und die Auszahlung eines Geldbetrages auf 137,-- Euro zu beschränken.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge zu drei Vierteln erstatten.
Gründe
Dem Antragsteller war Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung selbst aufzubringen und die Rechtsverfolgung mittels der Beschwerde bietet bereits aus den vom Sozialgericht genannten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg (§§ 153 Abs. 3, 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i. V. mit §§ 114ff Zivilprozessordnung).
Die Beschwerde ist zulässig. Ihr steht nicht § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG entgegen. Danach ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre; maßgeblich ist allein die Zulässigkeit kraft Gesetzes (s. statt vieler LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. September 2011 - L 23 SO 170/11 B ER -, im frei zugänglichen Bereich von sozialgerichtsbarkeit.de, m.w.Nachw.). Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung nicht kraft Gesetzes zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.
Der Antragsteller hat den Antrag gestellt, ihm “ab dem 01.11.2012 Leistungen nach dem AsylbLG in verfassungskonformer Höhe zu bewilligen„. Allein dadurch, dass er keinen Endzeitpunkt genannt hat, kann er die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht erfüllen. Im Recht der bedürftigkeitsabhängigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind längstens zwölf Monate als Bewilligungszeitraum vorgesehen; jedenfalls dieses Zeitmaß beschränkt auch eine mögliche zeitliche Beschwer durch gerichtliche Entscheidungen (s. LSG Berlin-Brandenburg a.a.0. für den Bereich der Sozialhilfe; BSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - B 4 AS 77/10 B -, in “Juris„, für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende).
Betreffend die Höhe der geltend gemachten Leistung - und dementsprechend der Beschwer im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG - lässt sich der Antrag des Antragstellers unter Berücksichtigung seiner Begründung noch mit hinreichender Sicherheit dahin gehend auslegen, dass er - neben den vom Antragsgegner ohnehin gewährten Kosten für Unterkunft und Heizung - Grundleistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe der Beträge geltend machen will, die sich aus den Festlegungen des BVerfG im Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - (Abs. 126ff der Gründe) für die Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung errechnen. Dies ergibt nach der Berechnung des Antragsgegners, wie sie im Rundschreiben II Nr. 04/2012 (vom 27. Juli 2012 ...