Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. ambulante Notfallbehandlung im Schockraum. Zurechnung zur vertragsärztlichen Versorgung. Abgrenzung zur stationären Krankenhausbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die im Schockraum vorgenommenen medizinischen Maßnahmen und Untersuchungen begründen nicht bereits die Aufnahme in das Krankenhaus. Die Behandlung im Schockraum ist regelmäßig Teil der Notfallbehandlung und der Aufnahme des Patienten in die vollstationäre Versorgung vorgeschaltet. Maßnahmen der ambulanten Notfallbehandlung, wie sie in einem Schockraum typischerweise vorgenommen werden, sind, wenn sich daran keine stationäre Behandlung um erstangegangenen Krankenhaus anschließt, der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen. Das Vorhandensein einer die Möglichkeit der Lebensgefahr einschließenden Indikation bei dem Patienten und die Verwendung einzelner technischer Apparaturen, die auch in der Intensivmedizin zum Einsatz kommen, geben der Behandlung im Schockraum nicht bereits das Gepräge einer intensivmedizinischen Behandlung mit der Folge einer vollstationären Eingliederung (Anschluss an BSG vom 18.5.2021 - B 1 KR 11/20 R = BSGE 132, 137 = SozR 4-2500 § 109 Nr 85).

2. Auch wenn die bei der Einlieferung des Patienten in das Krankenhaus bereits erkennbare Schwere der Erkrankung seine stationäre Behandlung im Anschluss an die Notfallbehandlung erwarten lässt, genügt dies allein nicht, schon zu diesem frühen Zeitpunkt den Beginn einer stationären Krankenhausbehandlung anzunehmen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Zahlung von Krankenhausbehandlungskosten i.H.v. 984,55 € zuzüglich einer Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 €.

Die Klägerin ist Trägerin der nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Klinik N. Dort wurde der geborene, bei der Beklagten krankenversicherte RP(nachfolgend: Versicherter/Patient) am 6. März 2018 unter Reanimationsbedingungen vom Rettungsdienst in den Schockraum der Zentralen Notfallversorgung dieser Klinik eingeliefert, wo er sich ausweislich der Patientenunterlagen von 12:45 Uhr bis 12:59 Uhr befand. Der Patient war von der Ehefrau leblos im Bett angetroffen worden, nachdem er am Morgen über Übelkeit und Bauchschmerzen geklagt hatte. Nach Durchführung von Laienreanimation unter Anweisung der Leitstelle erhielt der Versicherte vom Rettungsdienst insgesamt 7 mg Adrenalin (in vitro). Bei Ankunft in der Klinik war der Versicherte bewusstlos. Es bestand Asystolie (Stillstand der elektrischen und mechanischen Herzaktion) sowie Apnoe (Aussetzung der Atmung). Im Schockraum der Klinik der Klägerin wurde die Reanimation fortgeführt und eine Echokardiographie durchgeführt. Dabei war keine mechanische Aktivität des Herzens (bei elektrischer Aktivität von 16 bis 20 Minuten) nachweisbar. Nach Absprache mit dem Internisten wurde daraufhin die Reanimation abgebrochen. Die vermutete Todesursache lautete Akutes Herzversagen.

Die Klägerin codierte G93.1 (anorganische Hirnschädigung, andernorts nicht klassifiziert) als Hauptdiagnose sowie I46.9 (Herzstillstand, nicht näher bezeichnet) als Nebendiagnose. Darüber hinaus wurde die Durchführung einer kardialen und kardiopulmonalen Reanimation mit dem OPS 8-771 verschlüsselt. In der Folge rechnete die Klägerin mit Rechnung vom 31. März 2016 die DRG B85D (degenerative Krankheiten des Nervensystems ohne hochkomplexe Diagnose, ohne äußerst schwere oder schwere CC oder ein Belegungstag, ohne komplexe Diagnose) mit einem Betrag von 984,55 € ab. Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag zunächst vollständig.

Am 7. April 2016 veranlasste die Beklagte eine Überprüfung des Leistungsinhaltes für eine vollstationäre Behandlung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und informierte die Klägerin entsprechend. In dem daraufhin erstellten sozialmedizinischen Gutachten vom 14. Juli 2016 gelangte Frau Dipl.-Med. R für den MDK zu dem Schluss, Belege für eine Integration des Versicherten über eine notfallmäßige Rettungsstellenbehandlung hinaus in den stationären Behandlungsablauf des Krankenhauses seien nicht vorgelegt worden. Auch unter Berücksichtigung der gesamten Behandlungsdauer von 14 Minuten sei von einer Notfallbehandlung auszugehen. Über dieses Ergebnis unterrichtete die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Juli 2016 und lehnte auf dieser Grundlage eine Übernahme der vollstationären Behandlungskosten ab. Nachfolgend rechnete sie gemäß § 9 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) in Höhe des Rechnungsbetrags mit unstreitigen Forderungen der Klägerin auf.

Mit ihrer am 20. Dezember 2018 bei dem Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 984,55 € nebst Zinsen sowie eines Betrages i.H.v. 300,00 € nebst Zinsen begehrt. Aus den Behandlungsunterlagen ergebe sich,...

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