Entscheidungsstichwort (Thema)
Hemmung der Verjährung des Vergütungsanspruchs. Ermessen bei Erhebung der Einrede der Verjährung. Zurückverweisung im Erinnerungsverfahren
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten steht in Streit, ob der Antragsgegner dem Vergütungsanspruch einer beigeordneten Rechtsanwältin (im Folgenden: D.) die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann.
D. erhob am 20. Juni 2016 im Namen zweier natürlicher Personen - C. C. und B. C. - Klage ( S 16 AS 8766/16 ). Das Sozialgericht Berlin bewilligte diesen mit Wirkung ab dem 30. März 2017 Prozesskostenhilfe und ordnete ihnen D. bei. Mit Urteil vom 19. März 2019 wies es die Klage ab. D. legte im Namen von C. C. und B. C. am 16. Mai 2019 Berufung ein (L 14 AS 870/ 19). Zugleich beantragte sie, C. C. und B. C. für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Diesen Antrag lehnte der 14. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 11. Januar 2021 ab. Am 4. März 2021 beantragte D. erneut, C. C. und B. C. für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Diesen Antrag nahm sie am 2. November 2022 zurück. Die Berufung nahm sie am 21. Februar 2023 zurück. Am 9. Mai 2023 stellte sie den Antrag, gemäß § 55 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) „für die Klage“ Gebühren und Auslagen in Höhe von 591,06 € festzusetzen.
Am 24. Mai 2023 verfügte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der 16. Kammer des Sozialgerichts Berlin, dass die Akten dem Bezirksrevisor bei dem Sozialgericht Berlin (im Folgenden: B.) vorzulegen seien „mit der Bitte zu prüfen, ob ggfs. Verjährungseinrede erhoben“ werde.
Mit Schreiben vom 25. Mai 2023 bat B. den Präsidenten des Sozialgerichts Berlin mitzuteilen, „ob die Einwilligung zu der von“ ihm „beabsichtigten Verjährungseinrede erteilt“ werde („Vorlage gem. Ziffer 1.4.4 der Allgemeinen Verfügung über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung der Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte, Patentanwältinnen, Patentanwälte, Rechtsbeistände, Steuerberaterinnen und Steuerberater 'AV Vergütungsfestsetzung' vom 14. Juli 2014 'Abl. v. Berlin 2014 Nr. 31 Seite 1453'“).
Mit Schreiben vom 9. Juni 2023 teilte der Präsident des Sozialgerichts Berlin B. mit, dass er „in die Erhebung der Einrede des mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 9. Mai 2023 geltend gemachten Vergütungsanspruchs für die erste Instanz“ einwillige.
Mit einem an die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Berlin gerichteten Schreiben vom 14. Juni 2023 beantragte B., „den Vergütungsfestsetzungsantrag vom 9. Mai 2023 der beigeordneten Rechtsanwältin U D für die erste Instanz wegen Eintritts der Verjährung zurückzuweisen“.
Mit Beschluss vom 4. Juli 2023 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der 16. Kammer des Sozialgerichts Berlin „den Antrag vom 9. Mai 2023 auf Zahlung der Vergütung aus der Landeskasse“ zurück.
Am 6. Juli 2023 hat D. Erinnerung eingelegt. Die Verjährung sei bis zur Rücknahme der unter dem Aktenzeichen L 14 AS 870/19 registrierten Berufung gehemmt gewesen.
Auf einen Hinweis der Vorsitzenden der 180. Kammer des Sozialgerichts Berlin, dass die von D. vertretene Rechtsauffassung zutreffe, hat B. seine eigene Rechtsauffassung wiederholt und ergänzend geltend gemacht, dass D. die Terminsgebühr unbillig bemessen habe.
Mit Beschluss vom 10. November 2023 hat die 180. Kammer des Sozialgerichts Berlin den Beschluss der Urkundsbeamtin der 16. Kammer des Sozialgerichts Berlin vom 4. Juli 2023 aufgehoben „und die Sache an die Urkundsbeamtin zur erneuten Entscheidung über den Vergütungsfestsetzungsantrag vom 9. Mai 2023 zurückverwiesen“. Die Erinnerung sei zulässig und begründet. D. habe ihren Vergütungsanspruch in „unverjährter“ Zeit geltend gemacht. Dies ergebe sich aus§ 8 Abs. 2 Satz 1, 2 RVG . Da B. auch die „Unbilligkeit der Gebühren“ einwende, sei eine „Zurückverweisungsentscheidung zur (erstmaligen) Prüfung durch die Urkundsbeamtin im Festsetzungsverfahren […] notwendig und ausreichend“.
Mit einem am 15. November 2023 elektronisch übermittelten Dokument hat B. bei dem Sozialgericht Berlin Beschwerde eingelegt. Der von D. geltend gemachte Vergütungsanspruch sei verjährt. Dies ergebe sich aus Aussagen von Mayer im Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz von Gerold/Schmidt (§ 8 RVG Rn. 3, 4 und 31). Diese lauteten, dass jeder Rechtszug für sich allein zu beurteilen sei. Deshalb komme es für den Rechtsanwalt des ersten Rechtszuges nicht darauf an, ob der Rechtsstreit in der höheren Instanz weitergeführt werde.
Die 180. Kammer des Sozialgerichts Berlin hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit Beschluss vom 28. Februar 2024 hat „der Einzelrichter“ gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG das Verfahren dem Senat übertragen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss der 180. Kammer des Sozialgerichts Berlin vom 10. November 2023 aufzuheben „und den Vergütungsfestsetzungsantrag der beigeordneten Rechtsanwältin vom...