Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Leistungsausschluss für Ausländer bei fehlendem Aufenthaltsrecht. Rückausnahme bei mindestens fünfjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet. Nachweismöglichkeiten
Leitsatz (amtlich)
Die Dauer des Mindestaufenthalts im Inland nach § 23 Abs 3 S 7 SGB XII idF ab 29.12.2016 kann auch auf andere Weise als die Meldung bei einer inländischen Meldebehörde belegt werden.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2017 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Bescheid vom 27. Februar 2017, längstens jedoch bis zum 30. November 2017, für den Monat Juni 2017 einen Betrag von 199,33 €, für die übrigen Monate von jeweils 260,-- € zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge zu drei Vierteln.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2017 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin N S, B, beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist im Juli 1949 in Bulgarien geboren worden und besitzt die bulgarische Staatsangehörigkeit. Sie war vom 13. September 2007 bis zum 5. April 2008, vom 8. April 2009 bis zum 1. Januar 2010 und vom 20. September 2010 bis zum 1. August 2011 unter drei unterschiedlichen Anschriften in Berlin-Neukölln, vom 19. März 2013 bis zum 10. März 2014 und erneut ab dem 21. April 2014 unter derselben Anschrift im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners gemeldet. Bei den Anmeldungen zum 20. September 2010 und 19. März 2013 ist im Melderegister jeweils “Zuzug von Bulgarien„, bei der Anmeldung zum 8. April 2009 “Zuzug von unbekannt„ vermerkt. Die Antragstellerin erhält aus einem Rentenfonds der Republik Serbien eine Altersrente, die für ein Quartal eines Kalenderjahres jeweils im Monat nach Ablauf des Quartals auf ein in Euro geführtes Konto in Bulgarien ausgezahlt wird.
In einem im November 2014 gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (im Folgenden: Grundsicherung) nach dem Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch (SGB XII) gab die Klägerin auf die Frage nach dem “Zeitpunkt der letzten Einreise in die BRD„ den 25. November 2010 an, als Zeitraum für frühere Aufenthalte “2002 - 2010„.
Durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 8. Dezember 2014 bewilligte ihr der Antragsgegner Grundsicherung ab 1. Oktober 2014 bis 31. Dezember 2014. Als Bedarf berücksichtigte er den Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 der Anlage zu § 28 SGB XII, dagegen keinen für Unterkunft und Heizung (ausweislich eines Aktenvermerks habe nicht geklärt werden können, wie sie die Miete für das von ihr bewohnte Zimmer zahle). Als Einkommen setzte er monatlich jeweils ein Drittel des Gesamtbetrags der serbischen Altersrente für das gesamte Quartal, wie er sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Auszügen eines bulgarischen Bankkontos ergab, bedarfsmindernd ab.
Der Antragsgegner gewährte der Antragstellerin in gleicher Weise Grundsicherung auch für die Zeit ab Januar 2015. Seit März 2015 wurde die Leistung auf ein Konto der Antragstellerin bei der Berliner Sparkasse überwiesen. Nachdem sie ihre bisherige Unterkunft 2015 dauerhaft verlassen hatte, übernahm der Antragsgegner außerdem auf der Grundlage des Gesetzes zum Schutz der Allgemeinen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) die Kosten für den Aufenthalt der Antragstellerin in Wohnheimen.
Für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2016 legte der Antragsgegner als monatliches Einkommen ein Drittel des Betrags von 419,94 € (= 139,71 € gerundet) zugrunde, welcher der Antragstellerin am 26. Oktober 2015 für den Rentenbezugszeitraum 1. Juli bis 30. September 2015 überwiesen worden war. Bei einem berücksichtigten Regelbedarf (404,-- €) ergab sich daraus ein monatlicher Zahlbetrag von 266,11 € (bestandskräftig gewordener Änderungsbescheid vom 8. August 2016).
Am 4. Januar 2017 teilte der Betreiber des Wohnheims dem Antragsgegner mit, dass sich die Antragstellerin nicht mehr dort befinde ohne sich abgemeldet zu haben. Es werde vermutet, dass die gesamte Großfamilie über Weihnachten nach Bulgarien gereist sei. Der Antragsgegner teilte dem Wohnheimbetreiber daraufhin mit, dass das Zimmer für die Antragstellerin nicht weiter vorgehalten werden solle.
Diese sprach am 11. Januar 2017 wieder beim Antragsgegner vor, nach Lage der Akten ohne zu Grund und Dauer ihrer Abwesenheit befragt zu werden oder sich selbst dazu zu äußern. Ab 12. Januar 2017 wurde ihr für einen anderen Wohnheimbetreiber eine Kostenübernahmeerklärung ausgesprochen.
Für die Monate Januar und Februar 2017 wurden an die Antragstellerin außerdem ohne einen schriftlichen Bescheid Zahlungen von jeweils 271,11 € geleistet (die Leistungshöhe errechnete sich augenscheinlic...