Entscheidungsstichwort (Thema)
Dauer des Anspruchs auf Insolvenzgeld bei Betriebsübergang auf einen neuen Inhaber vor dem Insolvenzereignis
Orientierungssatz
1. Der Ausgleich von Ansprüchen auf rückständiges Arbeitsentgelt durch Insolvenzgeld i. S. von § 165 Abs. 1 S. 1 SGB 3 erfolgt nur für solche arbeitsrechtliche Ansprüche, die in den Insolvenzgeldzeitraum fallen. Der Arbeitgeber muss von einem der in § 165 Abs. 1 S. 2 SGB 3 bezeichneten Insolvenzereignisse betroffen sein.
2. Im Fall eines Betriebsübergangs vor dem Insolvenzereignis endet der Insolvenzgeldzeitraum trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers mit der Betriebsübernahme durch den neuen Erwerber. Damit steht dem Arbeitnehmer wegen eines Insolvenzereignisses bei dem bisherigen Arbeitgeber Insolvenzgeld nur bis zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu.
3. Ein Betriebsübergang i. S. von § 613a Abs. 1 BGB liegt vor, wenn die für den Betrieb verantwortliche natürliche oder juristische Person, die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt und die in Rede stehende Einheit nach Übernahme durch den neuen Inhaber ihre Identität bewahrt (BAG Urteil vom 25. 8. 2016, 8 AZR 53/15).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. November 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist ein Anspruch auf Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 1. September 2015 bis 30. Oktober 2015 und die Erstattung eines hierauf gezahlten Vorschusses iHv 2.600,- €.
Der Kläger war bei der S Logistik und Transport GmbH (GmbH) als Kraftfahrer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der Eigenkündigung des Klägers zum 31. Oktober 2015 (Vergleich beim Arbeitsgericht Potsdam vom 20. November 2015 - 5 Ca 1671/15 -). Der Betrieb war bereits zuvor durch Rechtsgeschäft auf den Geschäftsführer der GmbH als Einzelunternehmer, der den Geschäftsbetrieb fortführte, mWv 1. September 2015 übergegangen; die GmbH stellte zu diesem Zeitpunkt den Geschäftsbetrieb ein (vgl Gutachten im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der GmbH vom 15. April 2016, das mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 18. April 2016 - 35 IN 35/16 - eröffnet wurde).
Die Beklagte gewährte dem Kläger auf dessen Antrag vom 26. Februar 2016, mit dem dieser ausgefallenes Arbeitsentgelt vom 1. September 2015 bis 30. Oktober 2015 geltend machte, einen Insg-Vorschuss iHv 2.600,- €. Zugleich wies sie darauf hin, dass dieser Betrag zu erstatten sei, soweit ein Anspruch auf Insg nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde (Bescheid vom 14. April 2016). Später lehnte die Beklagte die Bewilligung von Insg ab und forderte Erstattung des Vorschusses (Bescheid vom 29. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016). Insg sei für die Zeit vom 1. September 2015 bis 30. Oktober 2015 nicht zu gewähren, da zum 1. September 2015 ein Betriebsübergang stattgefunden habe.
Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat die Klage unter Bezugnahme auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid abgewiesen (Urteil vom 20. November 2019).
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf die Berufungsbegründung vom 16. März 2020 wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 20. November 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. September 2015 bis 30. Oktober 2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die zulässige Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl. § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Insg für den geltend gemachten Zeitraum vom 1. September 2015 bis 30. Oktober 2015. Der insoweit gezahlte Vorschuss ist zu erstatten.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der angefochtenen Entscheidung der Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2016, mit dem die Beklagte den Insg-Antrag abgelehnt hat. Weiter hat sie mit diesem Bescheid die Erstattung des vorschussweise erbrachten Insg iHv 2.600,- € verlangt. Der Bescheid vom 29. Juni 2016 hat den Vorschussbescheid vom 14. April 2016 vollständig ersetzt (§ 168 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - SGB III -, § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X -). Das klägerische Begehren ist bei verständiger Würdigung (vgl § 103 SGG) so zu ...