Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: zu den Voraussetzungen der Gegenvorstellung. Versagung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht trotz der Stattgabe eines Antrages auf  weitere Beweiserhebung

 

Orientierungssatz

1. Eine Gegenvorstellung (hier gegen die Zurückweisung einer Beschwerde wegen der Versagung von Prozesskostenhilfe) kann allenfalls dann Erfolg haben, wenn mit ihr ein schweres und nicht hinnehmbares prozessuales Unrecht - insbesondere in Gestalt der Verletzung von Grundrechten - geltend gemacht wird und auch tatsächlich vorliegt.

2. Eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichende Erfolgsaussicht ist nicht schon dann gegeben, wenn das Gericht dem Antrag des die Prozesskostenhilfe begehrenden Klägers auf weitere Beweisaufnahme gemäß § 109 SGG nachgekommen ist.

 

Tenor

Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 5. November 2010 wird zurückgewiesen.

Für das Verfahren der Gegenvorstellung werden Kosten nicht erstattet.

 

Gründe

Die Gegenvorstellung war zurückzuweisen, weil ihre Voraussetzungen nicht vorliegen.

Hierbei lässt der Senat offen, ob und inwieweit nach Einführung des § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) betreffend das Verfahren der Anhörungsrüge noch Raum für das Verfahren der Gegenvorstellung ist, weil insoweit die gesetzlich vorgesehenen Regelungen über die Unanfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen durchbrochen werden. Jedenfalls aber kann eine Gegenvorstellung allenfalls dann Erfolg haben, wenn mit ihr ein schweres und nicht hinnehmbares prozessuales Unrecht - insbesondere in Gestalt der Verletzung von Grundrechten - geltend gemacht wird und auch tatsächlich vorliegt.

So liegt es hier nicht. Insbesondere stellt sich die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe auch in Ansehung der durch den Kläger im Verfahren vor dem Sozialgericht beantragten weiteren Beweisaufnahme nach § 109 SGG nicht als willkürlich und damit als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG dar. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht mit denen für eine Beweiserhebung identisch, und beide Entscheidungen sind grundsätzlich voneinander unabhängig. Einen von einer Partei beantragten Beweis müssen die Gerichte grundsätzlich selbst dann erheben, wenn sie die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache für sehr unwahrscheinlich halten. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht geboten, den Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht so auszulegen, dass diese immer und ohne Einschränkung bereits dann gegeben seien, wenn noch Beweis zu erheben ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1986, 2 BvR 25/86, NVwZ 1987, 786). Dies gilt umso mehr, wenn die jeweilige Verfahrensordnung einer Partei auch nach Abschluss der von Amts wegen veranlassten Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme die Möglichkeit einräumt, ohne eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der bereits erhobenen Beweise eine weitere Beweisaufnahme zu erzwingen, wie es § 109 SGG vorsieht. Das Sozialgericht war vorliegend verpflichtet, dem Beweisantrag des Klägers nach § 109 SGG nachzukommen, ohne dass darin eine richterliche Wertung im Hinblick auf die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung lag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2635173

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