Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Gegenvorstellung trotz Einführung der Anhörungsrüge. Höhe der festzusetzenden Monatsraten bei Einkommen aus einer Rente nach dem Anti-D-Hilfegesetz (Anti-DHG) bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
Eine Gegenvorstellung ist trotz Einführung der Anhörungsrüge gemäß § 178a SGG zulässig, wenn die getroffene Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist, sodass sie im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte, oder wenn die Entscheidung zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde.
Tenor
Auf die Gegenvorstellung der Klägerin wird der Beschluss des Senats vom 11. Juni 2009 (Az: L 11 VJ 8/09 B PKH) rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Erlasses dahingehend geändert, dass Prozesskostenhilfe unter Anordnung monatlicher Raten in Höhe von 45,00 € bewilligt wird.
Außergerichtliche Kosten des Gegenvorstellungsverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die Gegenvorstellung der Klägerin ist zulässig und begründet.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Gegenvorstellung als einem außerordentlichen Rechtsbehelf gegen eine unanfechtbare Entscheidung des Gerichts ergeben sich vorliegend trotz Einführung der Anhörungsrüge gemäß § 178 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch das Gesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 3220), deren Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind, nicht. Denn eine Gegenvorstellung ist weiterhin zulässig, wenn die getroffene Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist, sodass sie im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte, oder wenn die Entscheidung zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde (vgl. BSG SozR 3-1500 § 160 a Nr. 24 m. w. N.; SozR 4-1500 § 178 a Nr. 3 Rdnr. 5; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Januar 2010 - L 18 AL 6/10 B RG - ). Das ist hier der Fall. Die angefochtene Entscheidung des Senats berücksichtigt nicht, dass die der Klägerin nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Personen (Anti-D-Hilfegesetz - Anti-DHG - ) gewährte monatliche Rente in Höhe von 275,- € nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Anti-DHG im Rahmen der Prozesskostenhilfe als einer Sozialleistung (vgl. hierzu LSG Berlin, Beschluss vom 27. August 1992 - L 13 Vs S 17/92 - ) nur zur Hälfte (= 137,50 €) als Einkommen im Sinne des § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 115 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hätte berücksichtigt werden dürfen. Dies aber hat zur Folge, dass bei einem anrechenbaren Einkommen von 102,50 € (347,74 € Grundsicherung + 471,36 € EU-Rente + 137,50 € Anti-DHG-Rente ./. 386,- € Freibetrag ./. 468,10 € Wohnkosten) nach der Tabelle des § 115 Abs. 2 ZPO Prozesskostenhilfe unter Festsetzung von Monatsraten in Höhe von nur 45,- € hätte bewilligt werden müssen. Die Entscheidung des Senats steht damit offensichtlich im Widerspruch zum Gesetz und führt zu einer nicht zu billigenden Ungerechtigkeit im Rahmen des im Interesse der Waffengleichheit geschaffenen prozessualen Rechts über die Prozesskostenhilfe. Die mithin zulässige Gegenvorstellung erweist sich daher auch als begründet, so dass der Beschluss des Senats nach Maßgabe des Tenors abzuändern war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind vom Beklagten nicht zu erstatten, weil er für dieses Verfahren keinen Anlass gegeben hat. Mangels entsprechender gesetzlicher Vorschrift können diese Kosten auch nicht der Staatskasse auferlegt werden (vgl. zur Anhörungsrüge: Beschluss des Senats vom 5. Januar 2010 - L 11 VH 82/09 ER m. w. N.)
Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Fundstellen