Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der Verpflichtung zur Krankenversicherung zwischen PKV und GKV. Arbeitslosengeld II-Bezieher

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung beider Alternativen des § 5 Abs 5a SGB 5.

 

Tenor

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten gewährt.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 05. November 2012 geändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 04. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2012 vorläufig Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 9/10 seiner außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 05. November 2012, mit dem das Sozialgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt hat, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu gewähren und ihm unverzüglich eine Krankenversicherungskarte auszuhändigen, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Insoweit ist sie gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet, weil der Antragsteller für diesen Teil seines Begehrens einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht hat (vgl. § 86b Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).

A. Es spricht alles dafür, dass der Antragsteller nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) durch den Bezug von Arbeitslosengeld II (Alg II) ab dem 01. März 2012 versicherungspflichtig in der GKV geworden ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Begründung der Versicherungspflicht des Antragstellers nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V gemäß § 5 Abs. 5a SGB V ausgeschlossen ist.

1.) Gemäß § 5 Abs. 5a SGB V ist nach § 5 Absatz 1 Nr. 2a SGB V nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Alg II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in § 5 Abs. 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

a) Der Ausschluss der ersten Alternative des Abs. 5a greift entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin schon deswegen nicht ein, weil der Antragsteller nicht unmittelbar vor dem Bezug von Alg II ab 01. März 2012 privat krankenversichert war. Seine private Krankenversicherung bestand lediglich bis Dezember 2007; danach verfügte er über keinen Krankenversicherungsschutz. Für die Erfüllung der ersten Alternative kommt es jedoch darauf an, dass der Hilfebedürftige unmittelbar, d.h. am Tag vor dem Bezug von Alg II, privat krankenversichert war (ständige Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg, grundlegend Beschlüsse des 9. Senats vom 06. Mai 2010, L 9 KR 102/10 B ER sowie vom 21. Mai 2010, L 9 KR 33/10 B ER, fortgeführt vom 1. Senat durch Beschluss vom 23. Dezember 2010, L 1 KR 368/10 B ER sowie durch das Urteil vom 11. März 2011, L 1 KR 326/10, anhängig beim BSG, B 12 KR 11/11 R, alle zitiert nach juris). Für die hier vertretene Auslegung könnte neben dem Wortlaut der Ausschlussnorm die regelmäßige Anknüpfung des Rechts zur freiwilligen Versicherung nach § 9 Abs. 1 SGB V an eine unmittelbar oder zeitnah zuvor endende Pflicht- oder Familienversicherung in der GKV, sofern man hierin ein sowohl der freiwilligen Versicherung wie auch der Auffangpflichtversicherung gemeinsames Strukturprinzip sehen wollte; außerdem dürfte auch der von § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V abweichende Wortlaut des § 5 Abs. 5a SGB V für die hier vertretene Auslegung sprechen, der nicht darauf abstellt, wie der Antragsteller “ zuletzt„, sondern “unmittelbar„ vor dem Bezug von Alg II krankenversichert war (vgl. hierzu BSG, 12. Senat, Urteil vom 12. Januar 2011, B 12 KR 11/09 R, zitiert nach juris).

Selbst wenn aber aus der Formulierung “unmittelbar„ nicht der Schluss zu ziehen sein sollte, dass der Hilfebedürftige am Tage vor dem Bezug von Alg II privat krankenversichert gewesen sein musste, sondern auch noch ein (geringfügig) längerer Zeitraum zwischen privater Krankenversicherung und Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) die Zuständigkeit der privaten Krankenversicherung begründen könnte, zerstört jedenfalls ein Zeitraum von mehr als vier Jahren zwischen dem Ende der privaten Versicherung und dem Bezug von Alg II wie im vorliegenden Fall offensichtlich den Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen privater Krankenversicherung und Le...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge