Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Aussetzung des Verfahrens wegen Tod der Klagepartei. Zulässigkeit der Anordnung des Ruhens des Verfahrens bei einem ausdrücklichen Antrag auf Verfahrensaussetzung
Orientierungssatz
Beantragt der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei im sozialgerichtlichen Verfahren ausdrücklich die Aussetzung des Verfahrens (hier: wegen Tod des Klägers), kann das Gericht nicht gegen den Willen der Partei das Ruhen des Verfahrens anordnen.
Normenkette
SGG § 202; ZPO §§ 239, 241-242, 246, 251 Sätze 1-2
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des verstorbenen Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 24. Mai 2016 aufgehoben.
Die Aussetzung des Verfahrens zum Aktenzeichen S 189 AS 17224/14 wird angeordnet.
Gründe
Gegenstand der Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des verstorbenen Klägers ist die Anordnung des Ruhens des Klageverfahrens auf einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen des Versterbens des Klägers.
Während des Klageverfahrens, das vom Kläger wegen höherer Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in den Monaten Oktober 2013 bis März 2014 im Juli 2014 angestrengt wurde, hatte der Kläger im November 2015 Verzögerungsrüge erhoben. Ebenfalls im Klagewege machte er im Verfahren S 10 R 1142/14 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung geltend. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 11. Januar 2016 mit, dass eine volle Erwerbsminderung ab März 2015 anerkannt worden sei. Im Erörterungstermin am 26. Januar 2016 wies die Vorsitzende der 189. Kammer die Beteiligten darauf hin, dass die Umzugsfähigkeit bzw. die Erwerbsfähigkeit des Klägers für den hier geltend gemachten Leistungsanspruch eine Rolle spielen könnte und das Ruhen bis zur Rechtskraft der in Parallelverfahren bereits ergangenen Urteile sinnvoll wäre. Diese Auffassung wurde vom Kläger nicht geteilt.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte mit Schreiben vom 30. März 2016 mit, dass der Kläger am 1. März 2016 verstorben sei, und beantragte, das Verfahren auszusetzen. Eine Rechtsnachfolge sei noch nicht geklärt. Die Beklagte erklärte daraufhin (auf entsprechende Frage des Gerichts), sie sei mit dem Ruhen des Verfahrens einverstanden.
Mit Beschluss vom 24. Mai 2016 hat das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Aufgrund übereinstimmender Anträge der Beteiligten sei unter Berücksichtigung der zuvor angegebenen Gründe gemäß § 202 SGG iVm § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Es obliege den Beteiligten, bei einem Wegfall des Ruhensgrundes die Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen, da dies nicht von Amts wegen erfolgen müsse.
Gegen den ihm am 30.Mai 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 31. Mai 2016 eingelegte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des verstorbenen Klägers.
Die Beklagte hält eine Stellungnahme für entbehrlich.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt aus § 172 SGG, wonach gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden die Beschwerde stattfindet. Ausnahmeregelungen finden sich in § 172 Abs 2 und 3 SGG für die Anordnung des Ruhens bzw eine Aussetzung des Verfahrens nicht.
Der Prozessbevollmächtigte des verstorbenen Klägers hat auch ein Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde, die sich gegen die Anordnung des Ruhens statt der beantragten Aussetzung wendet. Die prozessualen Rechte der Klägerseite werden durch die Entscheidung beeinträchtigt. Zwar ist die Anordnung des Ruhens nach ganz herrschender Meinung ein Fall der Aussetzung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 11. Aufl., vor § 114 RdNr 1d, Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann: ZPO, 64. Aufl., § 251 ZPO, RdNr 1). Jedoch ist für den Fall der - hier von der Klägerseite beantragten - Aussetzung nach §§ 202 SGG, 246 ZPO abweichend von § 251 ZPO die Geltung der Regelungen der §§ 239, 241 und 242 ZPO ausdrücklich angeordnet, während die Einschränkung der Wirkung des Ruhens nach § 251 Satz 2 ZPO für die Aussetzung nach §§ 202 SGG, 246 ZPO nicht gilt. Jedoch sperrt die Aussetzung nach §§ 202 SGG, 246 ZPO eine Fortsetzung des Verfahrens gegen den Willen der Klägerseite, solange die Fortsetzungsgründe nach §§ 246, 239 Abs 1, 2 ZPO (insbesondere die Klärung der Rechtsnachfolge) noch nicht wieder vorliegen, während nach einer Anordnung des Ruhens das Verfahren allein durch Wiedereintritt durch die Gegenseite das Ruhen beendet wird, sofern keine zeitliche Begrenzung erfolgt ist (Keller aaO RdNr 4).
Schon dieser Nachteil begründet ein Rechtsschutzinteresse, gegen die Anordnung des Ruhens vorzugehen, während die Aussetzung nach §§ 202 SGG, 246 ZPO beantragt wurde.
Die Beschwerde ist auch begründet. § 251 Satz 1 ZPO lautet: Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die B...