Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung, ob und in welchem Umfang gem § 30 Abs 5 SGB 12 ein ernährungsbedingter Mehrbedarf anzuerkennen ist, sind die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe heranzuziehen.
2. Liegen gleichzeitig die Voraussetzungen für mehrere Krankenkostzulagen vor, ist die höchste Krankenkostzulage zu gewähren.
3. Solange der Deutsche Verein seine Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen nicht revidiert und auch sonst keine in vergleichbarer Weise medizinisch, ernährungswissenschaftlich und ökonomisch fundierten "besseren" Erkenntnisse gewonnen werden, ist bei Diabetes mellitus ein ernährungsbedingter Mehrbedarf gem § 30 Abs 5 SGB 12 anzuerkennen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2006 aufgehoben.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 9. Oktober 2006 bis zum 30. Juni 2007, längstens jedoch bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens in der Hauptsache, einen weiteren Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 15,69 Euro je vollem Kalendermonat zu zahlen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten dieses Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I.
Der 1966 geborene Antragsteller leidet laut Attest seiner behandelnden Ärzte vom 06. Mai 2005 an einer HIV-Infektion im Stadium B 3 nach CDC, Cholecystolithiasis, chronischer Enteritis, HIV-assoziierten enteralen Resorbtionsstörungen, einem Kurzdarmsyndrom, einem Wastingsyndrom, einer Fettstoffwechselstörung sowie an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus. Das Versorgungsamt hat einen Grad der Behinderung von 100 festgestellt und die Merkzeichen B, T und aG zuerkannt. Der Antragteller bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg Erwerbsunfähigkeitsrente auf unbestimmte Zeit.
Seit Januar 2005 gewährt der Antragsgegner dem Antragsteller ergänzende Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des 12. Buches Sozialgesetzbuch – SGB X II –. Dabei wurde bis Juni 2006 ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von monatlich 52,31 Euro berücksichtigt, zuletzt aufgrund der Befürwortung von „Diabeteskost“ durch die Obermedizinalrätin Dr. R vom Amts- und Vertrauensärztlichen Dienst des Bezirksamtes Treptow-Köpenick von Berlin.
Im Juni 2006 beantragte der Antragsteller die Weitergewährung der Leistungen und reichte eine Bescheinigung seiner behandelnden Ärzte vom 24. April 2006 ein, mit der diese einen fortbestehenden ernährungsbedingten Mehrbedarf bei Hyperlipidämie, Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II a (ohne Übergewicht) sowie HIV-Infektion unter anderem mit einer Resorbtionsstörung, chronischer Diarrhoe, Appetitlosigkeit, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Gewichtsabnahme begründeten und das Gewicht des Antragstellers mit 58 kg bei einer Körpergröße von 176 cm angaben.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2006 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01. Juli 2006 bis zum 31. Juli 2007, wobei ab Leistungsbeginn bis zum 30. Juni 2007 ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung von monatlich 36,62 Euro berücksichtigt wurde. Dieser Entscheidung lag eine Stellungnahme der Amtsärztin W-S vom 21. Juni 2006 zugrunde, die einen Mehrbedarf durch eine lipidsenkende Kost bejaht hatte. Den Widerspruch des Antragstellers, der die Weitergewährung des bisherigen Mehrbedarfszuschlages begehrte, wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2006 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass nach nochmaliger Überprüfung des Amts- und Vertrauensärztlichen Dienstes nur wegen der HIV-Erkrankung eine lipidsenkende Kost zu berücksichtigen sei. Wie bereits das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Urteil vom 31. Januar 2005 – VG 8 A 558.04 – entschieden habe, entstünden normalgewichtigen Diabetikern keine Mehrkosten bei der Ernährung. Sie könnten auf nahezu sämtliche Produkte und Gerichte zurückgreifen, indem sie die Insulingabe entsprechend einstellten.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin am 28. September 2006 Klage erhoben, mit der er sein Begehren auf Weitergewährung des Mehrbedarfszuschlages für Diabeteskost weiter verfolgt. Am 09. Oktober 2006 ging sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht ein, mit dem er die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, ihm einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von „52,13 Euro“ je vollem Kalendermonat zu zahlen.
Mit Beschluss vom 25. Oktober 2006 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe eine besondere Eilbedürftigkeit, dass heißt einen Anordnungsgrund, nicht glaubhaft gemacht. Es sei ihm zuzumuten, den Differenzbetrag zwischen dem begehrten und dem bereits gewährten Mehrbedarfsbetrag in Höhe von monatlich 15,51 Euro (bzw...