Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Hilfebedarfs der einzelnen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft. Eltern. Altersrentner. volljährige Kinder unter 25 Jahren. gemeinsamer Haushalt. Elterneinkommen. Antragsrecht. Prozesskostenhilfe. hinreichende Erfolgsaussicht
Orientierungssatz
1. Bei den Ansprüchen nach dem SGB 2 handelt es sich um Individualansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, die von diesen jeweils individuell im Verwaltungsverfahren bzw. gerichtlich geltend zu machen sind, und zwar unabhängig davon, ob die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für sich beantragt haben.
2. Zur Bestimmung der Einzelleistungsansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ist der Summe des Hilfebedarfs der die Bedarfsgemeinschaft bildenden Personen das Gesamteinkommen der Mitglieder gegenüberzustellen und das gfs. verbleibende Defizit den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft anteilig zuzuordnen.
3. Für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft zwischen Eltern und unverheirateten Kindern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, reicht das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft aus. Die Feststellung weiterer subjektiver Tatsachen ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Januar 2007 aufgehoben.
Der Klägerin wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt und Frau Rechtsanwältin M K, M, V beigeordnet.
Gründe
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 19. Januar 2007 ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) und begründet.
Der Klägerin ist Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozeßbevollmächtigten zu gewähren, da sie nach ihren - hier mit Blick auf § 73 a Abs 1 Satz 1 in Verbindung mit § 127 Abs 1 Satz 3 Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht näher darzulegenden - persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§ 73 a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114, 115 ZPO).
Der beabsichtigten Rechtsverfolgung kann auch eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73 a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO) nicht abgesprochen werden. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg ist gegeben, wenn bei summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes eine “reale Chance zum Obsiegen„ besteht, während sie bei einer “nur entfernten Erfolgschance„ abzulehnen ist.
Anspruch auf Arbeitslosengeld II (§§ 19, 20, 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫) haben gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II Personen, bei denen neben den unter Nrn 1, 2 und 4 genannten Voraussetzungen - die hier nicht streitig sind - ua Hilfebedürftigkeit (Nr 3) besteht. Vorliegend kann eine Hilfebedürftigkeit der Klägerin iSv § 7 Abs 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 SGB II jeweils idF des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I S 558; im Folgenden ohne Zusatz zitiert) ohne weitere Aufklärung des Sachverhaltes nicht ausgeschlossen werden, da bisher weder von der Beklagten noch vom Sozialgericht die hierzu erforderlichen Ermittlungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der mit der einkommens- und vermögenslosen Klägerin eine Bedarfsgemeinschaft bildenden Eltern vorgenommen worden sind. Denn bei den Ansprüchen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II handelt es sich um Individualansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, die von diesen individuell im Verwaltungsverfahren (vgl zur Beteiligtenfähigkeit: §§ 10, 11 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫) geltend gemacht werden können (§ 38 Abs 2 SGB II enthält nur eine Vermutung der Vertretung, die bei Stellung des Antrages durch ein anderes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft widerlegt ist; vgl hierzu SG Berlin Beschluss vom 20. Dezember 2006 - S 37 AS 11401/06 - veröffentlicht in Juris) bzw gerichtlich geltend zu machen sind (ständige Rspr des Senats zB Urteil vom 09. Mai 2006 - L 10 AS 1093/05 - und so auch BSG zB Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, jeweils veröffentlicht in Juris), und deren Voraussetzungen im Einzelnen von der Beklagten und dem Gericht zu prüfen sind und zwar unabhängig davon, ob die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für sich begehren bzw beantragt haben.
Vorliegend beurteilt sich die Frage der Hilfebedürftigkeit der Klägerin nicht nur nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen, sondern auch nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ihrer Eltern. Denn nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt… und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, ua nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen (§ 11 SGB II), sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Insbesondere ist bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die di...