Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Angemessenheit der Unterkunftskosten. Produkttheorie. Kostensenkung

 

Orientierungssatz

1. Für die Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, welches sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, abzustellen (Produkttheorie) (Vergleiche BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 18/06 R).

2. Der Grundsicherungsträger hat bei der Feststellung der angemessenen Unterkunftskosten zunächst die angemessene Wohnungsgröße festzustellen. Hierbei sind die Werte nach dem Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) und nach den landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen zugrundezulegen.

3. Als weiterer Faktor der Angemessenheitsprüfung ist der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist.

 

Tenor

Die Beschwerden des Antragstellers vom 17. April 2008 gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2008 werden zurückgewiesen.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers vom 17. April 2008 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 2008, mit dem der sinngemäße Antrag,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab dem 1. Juli 2007 Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren,

zurückgewiesen worden ist, hat keinen Erfolg.

Der sechsundvierzig Jahre alte Antragsteller, der für seine 77,66 Quadratmeter große Wohnung monatlich 486,26 EUR an den Vermieter sowie 111,- EUR an den Gasversorger, insgesamt also 597,26 EUR, entrichten muss, hat einen Anordnungsanspruch mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit nicht glaubhaft gemacht (§§ 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG], 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Er kann einen Anordnungsanspruch nicht aus den §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 19 Satz 1, 22 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) herleiten. Nach der zuletzt genannten Vorschrift werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind hier nicht als angemessen anzusehen. Nach Ziffer 4 Abs. 2 der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung vom 7. Juni 2005 (AV-Wohnen, abgedruckt im Amtsblatt für Berlin, Jahrgang 2005, S. 3743, 3744) gilt für einen Einpersonenhaushalt eine Bruttowarmmiete von 360,- EUR als angemessener Richtwert. Dieser Richtwert ist aus den folgenden Gründen jedenfalls nicht zu gering bemessen:

Zur Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten bedarf es zunächst der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße. Hier ist die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zu Grunde zu legen, insbesondere die Werte nach dem Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) in Verbindung mit den landesrechtlichen Bestimmungen (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 7. November 2006, B 7b AS 10/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 2; B 7b AS 18/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 3). Danach ist in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 WoFG - zum einen an die Bestimmungen zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen anzuknüpfen, wie sie sich aus der Mitteilung Nr. 8/2004 vom 15. Dezember 2004 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ergeben. In Berlin wird die maßgebliche Wohnungsgröße für den Wohnberechtigungsschein in der Regel nach Raumzahl bestimmt (Ziff. 8 Abs.1 der Mitteilung Nr. 8/04). Angemessen ist danach grundsätzlich ein Raum für jeden Haushaltsangehörigen, wobei Zweizimmerwohnungen mit einer Gesamtwohnfläche bis zu fünfzig Quadratmetern auch an Einzelpersonen überlassen werden dürfen. In Berlin sind wegen fehlender Bestimmungen über den Mietwohnungsbau die Richtlinien über Förderungssätze für eigengenutztes Wohneigentum der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25. Mai 1999 (Eigentumsförderungssätze 1999, ABl. 1999, S. 2918 ff.) heranzuziehen. Gemäß Abschnitt II Ziffer 4 Abs. 3 der Eigentumsförderungssätze 1999 ist für eine Person eine ...

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