Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. ernährungsbedingter Mehrbedarf. Divergenz. Zulassung einer Berufung. Anforderung an die Annahme einer Abweichung von einer höherrangigen Entscheidung
Orientierungssatz
1. Die Fragen nach der Gewährung einer höheren Regelleistung unter Berücksichtigung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs bei einem Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 21 Abs. 5 SGB 2 ist derzeit nicht von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne der Vorschriften über die Berufungszulassung, da alle damit im Zusammenhang stehenden bedeutsamen Fragen durch die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung beantwortet sind.
2. Eine die Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren rechtfertigende Abweichung iSv § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nur dann vor, wenn ein Gericht in einer Entscheidung einen abstrakten, fallübergreifenden Rechtssatz aufstellt, der von einem abstrakten Rechtssatz eines höherrangigen Gerichts abweicht. Dagegen liegt keine Abweichung vor, wenn ein Gericht Vorgaben eines höherrangigen Gerichts im Einzelfall nicht oder fehlerhaft übernimmt.
3. Einzelfall zum Vorliegen von Gründen, die eine Zulassung der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren rechtfertigen.
Tenor
Zum Verfahren wird B D, C Platz, B, beigeladen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) der Klägerin ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen.
Den Ehemann der Klägerin hat der Senat nach § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) antragsgemäß beigeladen, weil seine berechtigten Interessen durch die Entscheidung berührt werden. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 SGG liegen indes nicht vor. Der Beigeladene ist zwar in seinen wirtschaftlichen Interessen betroffen, da sein Einkommen und sein Bedarf im Rahmen der Prüfung, ob die Klägerin hilfebedürftig ist, berücksichtigt wird. Denn der Beigeladene, der nach den Feststellungen des Sozialgerichts (SG) zusammen mit der Klägerin in einer gemeinsamen Wohnung wohnt, bildet mit ihr eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr 3a Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II -). Dem steht nicht entgegen, dass er als Bezieher einer Rente wegen Alters im streitigen Zeitraum selbst keine Leistungen nach dem SGB II erhalten konnte (vgl § 7 Abs 4 SGB II). Voraussetzung einer notwendigen Beiladung ist jedoch nach der allein in Betracht kommenden ersten Alternative des § 75 Abs. 2 SGG, dass der Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Hiervon ist auszugehen, wenn durch die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre des Dritten unmittelbar eingegriffen wird (stRspr, ua BSGE 70, 240, 242 = SozR 3-5533 Allg Nr 1 mwN). Dies ist bei der nur wirtschaftlichen Betroffenheit des Beigeladenen nicht der Fall (vgl BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 3).
Das Rechtsmittel der Berufung, das nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) ausgeschlossen ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes, der sich auf 90,- € beläuft (= erstinstanzlich geltend gemachte weitere Leistungen für die Zeit vom 2. März 2010 bis 30. September 2010), 750,- € nicht übersteigt, ist nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Denn die in den Nrn. 1 bis 3 dieser Vorschrift normierten Zulassungsvoraussetzungen liegen nicht vor.
Der Rechtssache kommt schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu, weil sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, nicht aufwirft. Die Entscheidung, ob der Klägerin im streitigen Zeitraum (2. März 2010 bis 30. September 2010) höhere Regelleistungen (vgl zur Abtrennbarkeit der Leistung für Unterkunft und Heizung: Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 08/06 R, juris = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 19; nach der ständigen Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei einem Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II nicht um einen eigenständigen, von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand, sondern um einen Rechnungsposten bei der Ermittlung des Regelleistungsbedarfs: vgl nur Urteil vom 03. März 2009 - B 4 AS 50/07 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 5; Urteil vom 02. Juli 2009 - B 14 AS 54/08 R = SozR 4-1500 § 71 Nr 2; Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 29/09 R = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7 ) unter Berücksichtigung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs des Beigeladenen nach § 21 Abs. 5 SGB II (in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung; im Folgenden ohne Zusatz bezeichnet) zustehen, wirft keine...