Entscheidungsstichwort (Thema)
Umdeutung einer unzulässigen Nichtzulassungsbeschwerde. Untätigkeitsklage. Nichtzulassung der Berufung
Orientierungssatz
1. Die Berufung gegen die Abweisung einer Untätigkeitsklage bedarf keiner Zulassung, weil letztere nicht auf eine Geld- oder Sachleistung gerichtet ist. Sie ist nur auf den Erlass eines beantragten Verwaltungsaktes gerichtet. Eine unmittelbare Klage auf Leistung ist ausgeschlossen.
2. Eine unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht in eine Berufung umgedeutet werden, selbst wenn sie allein wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts eingelegt worden ist. Wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung gilt aber die einjährige Berufungsfrist des § 66 Abs. 2 S. 1 SGG.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Nichtzulassung der Berufung in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juli 2007 aufgehoben, soweit durch den Gerichtsbescheid über eine Untätigkeitsklage wegen Nichtgewährung von Eingliederungsleistungen ab 1. Januar 2005 entschieden worden ist.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers, welche sich gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juli 2007 richtet, hat der Sache nach Erfolg. Dabei geht der Senat davon aus, dass sich die Nichtzulassungsbeschwerde nur auf die Abweisung der Untätigkeitsklage, nicht aber auf die Abweisung der vom Sozialgericht angenommenen Leistungsklage, gerichtet auf Zahlung von 300,-- € bezieht. Denn der Bevollmächtigte des Klägers bezeichnet den Streit über die Auszahlung dieses Betrages in seinem Schriftsatz vom 3. November 2007 als erledigt, da der Beklagte seiner Zahlungsverpflichtung nachgekommen ist.
Die Berufung gegen die Abweisung der Untätigkeitsklage bedarf entgegen der Rechtsmittelbelehrung in dem Gerichtsbescheid keiner Zulassung. Unabhängig davon, dass der Kläger im Ergebnis Geldleistungen erstrebt, handelt es sich bei einer Untätigkeitsklage nicht im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) um eine Klage, die auf eine Geld- oder Sachleistung gerichtet ist. Denn im Gegensatz zu den Regelungen in anderen Verfahrensordnungen (§ 75 Verwaltungsgerichtsordnung für die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit und § 46 Finanzgerichtsordnung für die Finanzgerichtsbarkeit) kann mit der Untätigkeitsklage im sozialgerichtlichen Verfahren nur der Erlass eines beantragten, aber bisher nicht ergangenen Verwaltungsaktes oder die Bescheidung eines Widerspruches begehrt werden (s. etwa Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Oktober 2007 - Aktenzeichen L 7 SO 4334/06 mit zahlreichen Nachweisen). Die unmittelbare Klage auf Leistung ist dagegen ausgeschlossen.
Da die Berufung gegen den Gerichtsbescheid insoweit kraft Gesetzes zulässig ist, kann der Senat ihre Zulassung nicht aussprechen. Obwohl die Nichtzulassungsbeschwerde deshalb formal erfolglos bleiben muss, bleibt ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für einen gerichtlichen Ausspruch, welcher den Rechtsschein beseitigt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid sei nur unter der Voraussetzung einer besonderen Zulassung möglich. Aufzuheben war deshalb der unrichtige Ausspruch über die Nichtzulassung der Berufung (s. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Mai 2007 - AktenzeichenL 9 KR 205/04 NZB).
Das bisherige Beschwerdeverfahren wird jedoch nicht automatisch als Berufungsverfahren fortgeführt. Der Kläger muss deshalb - wenn er dies weiterhin wünscht - nochmals gesondert Berufung einlegen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg wie eben; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Oktober 2003 - Aktenzeichen L 12 AL 220/02 - und anschließend daran Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Juni 2004 - Aktenzeichen B 11 AL 75/03 R - in SozR 4-1500 § 144 Nr. 1).
§ 145 Abs. 5 Satz 1 SGG sieht die Fortführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde als Berufungsverfahren nur für den Fall vor, dass die Berufung zugelassen worden ist. Eine planwidrige Regelungslücke, welche Voraussetzung für eine analoge Anwendung der Vorschrift wäre (s. stellvertretend Bundessozialgericht, Urteil vom 17. April 2007 - Aktenzeichen B 5 RJ 30/05 R -), kann nicht angenommen werden. Im Besonderen hat der Gesetzgeber in Kenntnis des verfahrensrechtlichen Problems letztmalig 2002 das Recht der Nichtzulassungsbeschwerde geändert und den Anwendungsbereich des § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG gerade nicht erweitert. Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde kann auch nicht in eine Berufung umgedeutet werden, selbst wenn sie allein wegen der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts eingelegt worden ist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, s. Urteil vom 14. Dezember 2006 - Aktenzeichen B 4 R 19/06 R - mit weiteren Nachweisen).
Dem Kläger wird der Zugang zu dem sonach “zulässigen„ Rechtsmittel der Berufung auf diese Weise auch nicht in einer das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) berührenden Weise er...