Entscheidungsstichwort (Thema)
Interessenabwägung. Bestandskraft. Veranlagungsbescheid. Überprüfungsverfahren. Interessenabwägung bei der Bewilligung von einstweiligem Rechtsschutz gegen den Veranlagungsbescheid eines Unfallversicherungsträgers
Leitsatz (redaktionell)
1. Die lediglich theoretische Möglichkeit einer nachträglichen Aufhebung des bestandskräftigen Veranlagungsbescheids kann der Anforderung der darauf beruhenden Umlage nicht entgegengehalten werden, da dies entgegen der Wertung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG regelmäßig zur Aussetzung der Vollziehung von Umlagebescheiden führen würde. Hinsichtlich Änderungen in den der Veranlagung zu Grunde liegenden Verhältnissen ist überdies zu beachten, dass sich derartige Veränderungen nach § 160 Abs. 2 SGB VII erst mit Beginn des Monats auswirken können, der der Änderungsmitteilung durch den Unternehmer folgt. Auch ein Antrag auf Überprüfung des bestandskräftigen Veranlagungsänderungsbescheids nach § 44 SGB X hat erst nach erfolgreichem Abschluss des Überprüfungsverfahrens Einfluss auf die Bestandskraft.
2. Wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist bei der Streitwertfestsetzung für diese Verfahren von einem Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts auszugehen.
Orientierungssatz
1. Bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Veranlagungsbescheid des Unfallversicherungsträgers ist eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung und dem Aufschubinteresse vorzunehmen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben.
2. Begegnet der zur Höhe des Umlagebeitrags ergangene Veranlagungsbescheid nach summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken und ist nicht feststellbar, dass die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben würde, so ist die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz zu versagen.
Normenkette
SGG § 86a Abs. 2 Nr. 1, § 86b Abs. 1 Nr. 2; SGB VII § 160 Abs. 2; SGB X § 44; GKG § 52 Abs. 1-2
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. November 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat auch die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.461,22 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. April 2008, mit dem ein Umlagebeitrag für das Jahr 2007 in Höhe von insgesamt 5.844,88 Euro erhoben wurde.
Der Antragsteller wurde zum 01. November 1993 als Inhaber der Firma “T- R S„ (jetzt: “S-B„) in das Unternehmerverzeichnis der Antragsgegnerin aufgenommen. Eine Betriebsprüfung vom 05. Juni 2007 ergab, dass überwiegend Hochbauarbeiten ausgeführt würden. Mit Veranlagungsänderungsbescheid vom 25. Juli 2007 veranlagte die Antragsgegnerin ihn daraufhin zum 01. Januar 2006 zur Tarifstelle 100 (“Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus„), der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Schreiben vom 14. November 2007 führte der Antragsteller aus, in den letzten Jahren mehrfach Einsprüche gegen Veranlagungsbescheide erhoben, seine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28. Mai 2005 gekündigt zu haben und keine rechtliche Grundlage für deren Handeln zu sehen, weiterhin erhebe er Einspruch gegen die Betriebsprüfung vom 05. Juni 2007. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2007 führte der Antragsteller aus, dass die Einstufung in die Gefahrklasse 100 nicht richtig und der Beitragsvorbescheid daher zu ändern sei. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. März 2008 lehnte die Antragsgegnerin die Entlassung des Antragstellers aus der Pflichtmitgliedschaft der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da ein Kündigungsrecht nicht bestehe.
Mit Lohnnachweis vom 24. Januar 2008 meldete der Antragsteller für 2007 Bruttoarbeitsentgelte für “Bauausbau„ in Höhe von 84.899 Euro, jedoch keine Bruttoarbeitsentgelte für das Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus und den Büroteil des Unternehmens. Die Antragsgegnerin erließ daraufhin den bereits genannten streitigen Bescheid vom 25. April 2008 über Beiträge für 2007, wobei sie ihrer Berechnung die gemeldeten Entgelte und die Gefahrtarifstelle 100 zugrunde legte, sie erließ ferner einen Beitragsvorschussbescheid für 2008 und 2009 sowie einen Bescheid über Säumniszuschläge und Stundungszinsen für 2007. Den hiergegen mit Schreiben vom 28. April 2008 erhobenen Widerspruch begründete der Antragsteller damit, seine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin mehrfach gekündigt zu haben, ferner habe er mit seinen drei Mitarbeitern 2007 nur Ausbauarbeiten ausgeführt, auch seien Vorschusszahlungen in Höhe von 1.524,- Euro nicht berücksichtigt worden. Er beschäftige n...